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Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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glaube, ich kann ihn glücklich machen«, sagte sie und zuckte mit den Schultern. »Und er mich. Wobei, angesichts des Verhältnisses, das er zu seiner Frau hatte, ist schon sehr wenig eine Verbesserung.«
    Dew hob eine Braue. »Kannten Sie Cora Crippen gut?«
    »Nicht sehr«, antwortete sie und bedauerte ihre letzten Worte. »Aber gut genug. Gut genug, um zu wissen, dass sie den Teufel im Leib trug. Und dass sie allein deshalb auf dieser Welt zu sein schien, um das Leben des armen Hawleys zu einem Albtraum zu machen.« Inspector Dew nickte und schob die Lippen vor. »Entschuldigen Sie, Inspector. Ich weiß, es klingt, als würde ich übertreiben und melodramatisch werden, aber Sie haben sie nicht erlebt. Sie hat ihm das Leben zur Qual gemacht. Jeden einzelnen Augenblick des Tages hat sie ihn misshandelt.«
    »Er hat mir gegenüber sehr liebevoll von ihr gesprochen«, sagte Dew zweifelnd.
    »Nun, so ist Hawley nun mal«, erklärte sie. »Er würde nichts Böses über sie sagen, nicht einmal mir gegenüber. Er ist diese Art Mann. Die alte Schule. Egal, was sie tat, er vergab ihr. Sie hat ihn betrogen, beleidigt, geschlagen …«
    »Sie hat ihn
geschlagen?
«
    »Sehr oft. Ich habe die Wunden selbst gesehen. Einmal war ich sicher, er müsste an der Braue genäht werden, aber er wollte nichts davon wissen. Es hat Monate gedauert, bis alles wieder richtig verheilt war. Oh, ich glaube, da ist er«, sagte sie, reckte den Hals und sah zu Hawley hinaus, der die Straße herunterkam.
    Dew schüttelte den Kopf. »Das war mir nicht bewusst«, sagte er. »Er hat mir anvertraut, dass sie ihm … untreu war, aber nicht, dass sie ihn geschlagen hat.«
    »Wenn wir gute Christen sein wollen«, sagte Ethel, »können wir natürlich unterstellen, dass sie nicht ganz richtig im Kopf war und sich, ohne es wirklich zu wollen, so verhalten hat. Ich bin allerdings nicht sicher, ob ich eine gute Christin sein will. Lässt mich das hart klingen?«
    »Er bedeutet Ihnen etwas«, sagte Dew. »Ich verstehe Sie schon.«
    »Ehrlich gesagt, glaube ich nicht an so eine Erklärung«, sagte sie. »Ich denke, sie war so unzufrieden mit ihrem Leben, dass sie es nur aushielt, indem sie ihm seines zur Hölle machte. Sie wollte unbedingt ein Star sein, verstehen Sie? Eine Gesangssensation, wie sie allen sagte. Ihr größtes Ziel im Leben war es, ihren Namen groß auf den Titelseiten der Zeitungen zu sehen. In die Geschichte einzugehen. Es sollten Bücher über sie geschrieben werden. Sie lebte in einer Illusion.«
    »Sie glauben nicht, dass sie Erfolg haben könnte?«
    »Natürlich nicht, Inspector. Sie war, sie ist in jeder Hinsicht zweitklassig. Sie kann einen Ton halten, ja, aber wenn ich ein bisschen malen kann, macht mich das noch nicht zu Monet.«
    Dew lachte und sah sich um. Er fragte sich, warum die Tür noch nicht aufgegangen war. »Ist er noch auf dem Weg?«, fragte er.
    Ethel sah aus dem Fenster, konnte ihren Geliebten jedoch nirgends mehr erblicken. »Oh!«, sagte sie und klang überrascht. »Ich war sicher, ich hätte ihn gesehen. Ich muss mich getäuscht haben. Aber warten Sie bitte, Inspector, ich bin sicher, er ist gleich da.«
    Dew sah auf die Uhr und schüttelte den Kopf. »Hören Sie«, sagte er. »Warum richten Sie ihm nicht aus, dass ich am Mittwochabend wieder herkomme. Sagen wir, um acht? Wenn er dann hier sein könnte, wüsste ich das zu schätzen.«
    Er stand auf, griff nach seinem Hut, und sie brachte ihn zur Tür. »Sicher«, sagte sie. »Ich sorge dafür, dass er hier ist. Es wird ihm sehr leidtun, dass er Sie verpasst hat.«
    »Ist schon gut«, sagte Dew. »Aber wenn er dann hier sein könnte, würde ich das zu schätzen wissen.«
    »Sicher.«
    Er ging die Stufen hinunter und war schon fast auf der Straße, als sie ihn noch einmal aufhielt. »Inspector«, rief sie, und er sah sich zu ihr um und wartete, dass sie fortfuhr. »Sie sehen es, nicht wahr?«, fragte sie. »Sie sehen, was für ein guter Mensch er ist? Was für ein liebenswürdiger Mann? Dass ich nicht die Einzige bin, die ihn so sieht, meine ich.«
    Er sah sie an und beneidete Hawley um die Liebe dieser Frau. Er zögerte nur einen Moment, lächelte und nickte. »Ja, ich glaube, das tue ich.«
    Sie lächelte jetzt auch, erleichtert, ging zurück ins Haus und schloss die Tür hinter sich. Das Herz pochte ihr in der Brust. Sie überlegte, ob sie noch einmal in den Garten hinausgehen sollte, aber es wurde spät und sie fühlte sich zu müde zum Arbeiten, und so ging sie

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