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Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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scharfer Stimme.
    »Das war es, Sir. Das war alles.«
    »Das war es?«, fragte der Kapitän. Er riss Carter den Block aus der Hand und starrte auf die Worte, wollte sie ändern, ergänzen, wollte mehr Information, etwas, was ihn beruhigte. »Das ist alles, was sie telegrafiert haben?«
    »Sir, Sie wissen, dass sie die Funksprüche kurz halten müssen.«
    »Kurz? Kurz!«, rief Kendall. »Ein wichtiges Mitglied unserer Mannschaft stirbt, und die versuchen, ihre Nachrichten kurz zu halten! Das ist ungeheuerlich!« Er wandte sich ab und las die Worte noch einmal, legte Daumen und Zeigefinger auf die Nasenwurzel und drückte sie fest zusammen. Mr Sorenson lag im Koma, und er, sein engster Freund, fuhr Tausende von Meilen entfernt über den Atlantik und saß auf diesem Schiff fest mit einem idiotischen Ersten Offizier und einem Mörder, der seine als Jungen verkleidete Geliebte zur Gesellschaft dabeihatte. Kapitän Bligh musste so etwas nie durchmachen, dachte er.
    »Es tut mir leid, Sir«, sagte Carter. »Ich weiß, er ist ein guter Freund von Ihnen, aber …«
    »Ein Freund?«, bellte Kendall. »Ich bin sein Vorgesetzter, Carter, sonst nichts. Es gibt keine Freundschaften in der Handelsmarine.«
    »Aber die Nachricht bestürzt Sie ganz offenbar.«
    Kendall beugte sich zu ihm hin, das Gesicht rot angelaufen. »Ich bin ganz und gar nicht bestürzt«, sagte er. »Ich bin nur gerne darüber informiert, wen ich in Zukunft zu meiner Mannschaft rechnen darf, das ist alles. Das hier ist nicht meine letzte Reise, Mr Carter. Wenn es auch Ihre sein mag.«
    Billy Carter starrte ihn staunend an. Er hatte noch nie erlebt, dass jemand so plötzlich einer Hysterie so nahekam, und er fragte sich, was genau das für eine Beziehung zwischen Kapitän Kendall und seinem Ersten Offizier Sorenson war. Waren sie womöglich entfernte Verwandte? Waren sie zusammen zur Schule gegangen? Er wollte schon fragen, als ein Piepsen hinter ihnen eine weitere eingehende Nachricht ankündigte, und beide Männer schlagartig herumfuhren.
    »Das sind sie wieder«, rief Kendall und stürzte zum Empfänger. »Er ist tot. Ich weiß es. Er ist ohne einen Freund an seiner Seite aus dem Leben geschieden.«
    »Käpt’n, bitte«, bat Carter und versuchte, ihm den Empfänger aus der Hand zu nehmen. »Lassen Sie mich die Nachricht annehmen. Ich gebe sie Ihnen sofort weiter.«
    Kendall gab nach, ließ sich auf das kleine Sofa fallen, das an der Wand stand, und vergrub das Gesicht in den Händen, während sein Erster Offizier die eingehenden Worte direkt unter die letzte Nachricht schrieb. Der Kapitän wurde von Bildern seiner gemeinsamen Zeit mit Sorenson an Bord der
Montrose
überflutet. Wie sie zusammen gegessen, sich unterhalten und abends Schach gespielt hatten. An die Nächte, da sie draußen vor der Brücke gesessen, zu den Sternen hinaufgesehen und einander versichert hatten, dass die See und nur die See ihre Geliebte sein konnte, denn beide hatten nie eine Frau getroffen, die sie dieser Weite hätte abspenstig machen können. Würde es diese Abende und Nächte nie mehr geben? War das jetzt das vorzeitige Ende ihrer Freundschaft? Er sah durch einen Tränenschleier zu Billy Carter hinüber und wartete auf die Schreckensnachricht.
    »Immer mit der Ruhe, Sir«, sagte Carter und sah ihn an, etwas verlegen, ihn so mitgenommen zu erleben. »Die Nachricht ist nicht vom Krankenhaus.«
    »Nein?«
    »Nein, sondern von der
Laurentic.
«
    »Der was?« Kendall war mit den Gedanken anderswo und fand nicht gleich zurück.
    »Der
Laurentic.
Dem Schiff, auf dem Inspector Dew ist.«
    Kendall nickte langsam. »Richtig«, sagte er. »Sicher. Nun, was sagen sie? Wie lautet die Nachricht?«
    Carter las das Telegramm noch einmal, als wüsste er nicht bereits, was es enthielt, und paraphrasierte diesmal den Inhalt, statt ihn wörtlich vorzulesen. »Sie sagen, sie sind schneller geworden und sollten uns am 27 . erreichen. Vielleicht schicken sie Dew gleich herüber oder warten erst noch. Bis dahin sollen wir ausharren und im gegenwärtigen Tempo weiterfahren. Und nichts verlauten lassen.
Schweigen bewahren,
heißt es wieder.«
    »Schweigen bewahren«,
schimpfte Kendall angewidert. »Das schreiben sie jetzt zum zweiten Mal. Was, zum Teufel, denken die eigentlich, was wir hier die letzten Tage getan haben? Wir haben so viel Schweigen bewahrt, dass wir ein Heim für ältliche Witwen eröffnen könnten.«
    Carter starrte ihn an und fragte sich, ob da noch mehr Theatralisches kommen

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