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Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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und sah bestürzt Kapitän Taylor an. »Wie können da so viele Menschen warten?«
    »Sie sind mittlerweile eine Berühmtheit, Inspector«, antwortete der Kapitän und grinste ihm zu. »Und ich vielleicht auch«, fügte er noch hoffnungsvoll an.
    »Aber ich habe noch nichts
getan.
«
    »Das macht nichts. Was zählt, ist, was Sie tun werden. Sie werden den übelsten Verbrecher zur Strecke bringen, der je auf dieser Welt sein Unwesen getrieben hat.«
    Dew hob eine Braue. »Ich glaube kaum, dass er der Beschreibung gerecht wird, Kapitän«, sagte er.
    »So gut wie. Frauenmörder. Kannibale.«
    »Ach, Himmel noch mal«, sagte Dew mürrisch. »Wer setzt solche Gerüchte in die Welt? Dr. Crippen ist kein Kannibale. Der Gedanke ist völlig grotesk.«
    »Ach ja? Und was hat er mit dem Kopf gemacht?«
    »Der Kopf fehlt, also nehmen alle an, er hat ihn gegessen«, sagte Dew tonlos. »Was für eine wundervolle Logik. Ich bewundere Ihren Spürsinn, Kapitän.«
    »Ich sage nur, was ich gehört habe«, antwortete Taylor und überhörte den Sarkasmus in Dews Stimme. »So zu tun, als wäre es nicht so, ändert nichts daran.«
    Dew seufzte. Er fühlte sich wie zweigeteilt, als das Schiff in den Hafen einfuhr und er gezwungen war, den Massen zuzuwinken, die ihm ohne Unterlass zujubelten. Ein Teil von ihm genoss die Aufmerksamkeit ungeheuer. Als Inspector von Scotland Yard hatte er sein ganzes Leben lang hart gearbeitet und einige wichtige Fälle gelöst, aber noch nie öffentliche Anerkennung für seine Anstrengungen erfahren. Das jetzt war eine Ausnahme: Dr. Crippen hatte mit seinem Verbrechen die öffentliche Fantasie derart angeregt, dass der Mann, der ihn dingfest machte, als Held gefeiert und zum berühmtesten Polizisten der Welt wurde.
    »Ich bin nicht der wahre Held«, gab er Kapitän Taylor gegenüber zu, als sie über die Gangway zum auf sie wartenden Polizeifahrzeug hinübergingen. Die Menge links und rechts wurde von zwei Reihen kanadischer Polizeibeamter zurückgehalten. »Die Ehre gebührt eigentlich Kapitän Kendall.«
    »Von der
Montrose?
«, fragte Taylor überrascht, während er trotz seines Ärgers, dass Dew so etwas sagte, breit lächelnd der Menge zuwinkte. »Aber warum denn nur? Was hat dieser Kendall damit zu tun?« Er musste schreien, um den Lärm der Menge zu übertönen.
    »Kapitän Kendall ist derjenige, der entdeckt hat, dass Crippen und die verkleidete Ethel LeNeve an Bord seines Schiffes sind. Nicht jeder hätte diese Verbindung gezogen. Hätte er uns nicht kontaktiert, hätte ich die beiden niemals aufgespürt. Crippen wäre sicher nach Kanada gelangt und auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Wir hätten ihn nie bekommen. Alles, was ich getan habe, ist, an Bord eines Schiffes zu gehen und auf ein anderes zu warten. So heldenhaft ist das nicht, wenn Sie genau darüber nachdenken.«
    »Unsinn«, sagte Taylor, unwillig, dem Kapitän der
Montrose
auch nur ein bisschen etwas von der Anerkennung abzutreten. »
Wir
sind es, die die Verfolgung aufgenommen haben.
Wir
sind die, die Leib und Leben für die Ergreifung eines Wahnsinnigen aufs Spiel gesetzt haben. Sie und ich, Inspector. Und hätte ich nicht alles aus der
Laurentic
herausgeholt, nun, dann wäre die
Montrose
womöglich als Erste hier angekommen, und er wäre uns entwischt. Ich will mich ja selbst keinen Helden nennen, aber andere werden es tun.«
    »Trotz der Menschenmengen hier?«, fragte Dew skeptisch und überhörte die Aufschneiderei des anderen Mannes. »Ich glaube nicht, dass er da so einfach hätte entkommen können. Er wäre auf der Stelle verhaftet worden.«
    Nachdem er den versammelten Horden von Zeitungsfotografen erlaubt hatte, ihn abzulichten, wurde Inspector Dew ins Hauptquartier der Polizei von Quebec gebracht, wo er Inspecteur Alphonse Caroux vorgestellt wurde, seinem kanadischen Kollegen, der den Weg der beiden Schiffe seit Beginn der Jagd verfolgt hatte.
    »Sie haben sich beeilt, Inspector«, sagte Caroux und musterte ihn interessiert von Kopf bis Fuß. Seit einer Woche hatte er sich gefragt, wie der berühmte Walter Dew wohl aussehen mochte. Sehr englisch, entschied er. Übergewichtig und teigig. »Wir waren erst nicht sicher, ob Sie es rechtzeitig schaffen würden. Aber natürlich hätten wir diesen Crippen für Sie verhaftet, wenn Sie noch nicht hier gewesen wären.«
    »Das ist jetzt nicht mehr nötig«, sagte Dew und begriff plötzlich, dass alle etwas von der Anerkennung für die Festnahme abbekommen wollten. »Allerdings muss

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