Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
Vom Netzwerk:
sind sie reich, und dann tragen einige von ihnen Titel, was für Cora bedeutet, dass sie was Besseres sind. Allerdings scheint in letzter Zeit nicht alles gut gegangen zu sein. Ich habe den Eindruck, es hat eine Szene gegeben, als sie zu viel getrunken hatte. Jedenfalls klang es heute Abend so, als würde sie nicht mehr lange dazugehören.«
    »Oje«, sagte Ethel, die das freute. »Das muss sie aber geärgert haben.«
    »Wenn sie nur einen Funken Ehre im Leib hätte«, sagte Hawley und ballte wütend die Fäuste, »hätte sie einfach auch noch die andere Wange hingehalten und das Thema fallen lassen. Sie sollte diesen Frauen nicht zeigen, dass sie ihr etwas antun können. Ich meine, wer sind die denn? Nichts als ein Haufen ungebildeter Hyänen, die es geschafft haben, sich ein paar verblödete Ehemänner mit einem Erbe und einem Haus auf dem Land einzufangen. Cora sieht das natürlich nicht so. Sie wurde nur immer wütender und wütender, und am Ende gab es einen großen Knall, und bevor irgendeiner von uns wusste, wie ihm geschah, beleidigte sie Louise Smythson und ihren Mann, und die beiden stürmten aus dem Haus. Ein paar Minuten später hat sie mich hinausgeworfen.«
    »Was hattest du ihr getan?«, wollte Ethel wissen.
    »Nichts Besonderes«, sagte er und hätte beinahe gelacht, so verrückt war das alles. »Ich bin einfach ein bequemes Ziel für sie, wenn sie einen ihrer Anfälle hat. Sie packte mich beim Ohr, öffnete die Tür und warf mich hinaus.«
    »Als wärst du ein Kind.«
    »Ich habe mir den Rücken angeschlagen«, sagte er. »Ich bin die Stufen hinuntergefallen. Mir tut alles weh.«
    Ethel schüttelte den Kopf und spürte, wie die Wut in ihr hochkochte. Sie hatte nie einen sanfteren, bedächtigeren Menschen als Hawley Harvey Crippen erlebt, und eine scheußlichere Furie als seine Frau Cora. Sie konnte nicht verstehen, wie eine Frau ihren Mann mit einer solchen Unmenschlichkeit behandeln konnte.
    »Es tut mir leid, Hawley«, sagte sie und vermochte ihre Gefühle nicht länger für sich zu behalten. »Ich hasse es, das sagen zu müssen, aber diese Frau ist ein Teufel, und du bist nicht verpflichtet, bei ihr zu bleiben.«
    »Ich weiß, ich weiß«, seufzte er, den Tränen nahe. »Aber …« Er suchte nach den richtigen Worten, wusste, was er sagen wollte, schämte sich jedoch, es zuzugeben. »Die Wahrheit ist, Ethel, dass sie mir Angst macht.«
    »Sie tut
was?
«, fragte sie ungläubig.
    »Sie macht mir Angst. Ich weiß, es ist lächerlich, doch es ist die Wahrheit. Ihre Launen, ihre Wut, alles an ihr. Ich glaube nicht, dass ich von Natur aus ein schwacher Mensch bin, aber Cora hat etwas an sich, was mich zu einem Nichts werden lässt. Ich bin in ihrer Gegenwart völlig kraftlos, und ich habe das sichere Gefühl, dass ihre Gewalttätigkeit eines Tages außer Kontrolle gerät.«
    Ethel nickte. Es war schlimm. Was er voraussagte, sah sie seit Langem schon drohen. Zu oft hatte sie miterleben müssen, wie ihr Freund böse zugerichtet zur Arbeit kam. Manchmal, wenn er sich verspätete, fürchtete sie das Schlimmste. Tränen strömten Hawley über das Gesicht, und sie legte einen Arm um ihn. »Hawley«, flüsterte sie und küsste ihn auf die Wange, »du musst nicht bei ihr bleiben, das weißt du.«
    »Ich kann sie nicht verlassen. Sie würde es nie erlauben«, sagte er mit einem hohlen Lachen und schluchzte gleich wieder. »Wenn nur
sie
wegginge.«
    Ethel trocknete ihm die Wangen mit der Hand, und sie sahen sich an und küssten sich.
    »Ich kann nicht zurück zu ihr«, murmelte er, »und doch muss ich. Ich habe keine Wahl.«
    »Aber nicht heute Nacht«, sagte sie leise und küsste ihn wieder. »Heute Nacht musst du nicht zurück.«
    »Ich würde mein Leben riskieren, wenn ich jetzt zurückginge«, gab er zu und lachte matt über die Absurdität der Situation.
    »Also bleibst du hier«, sagte sie entschlossen. Er wich ein Stück zurück und sah sie unsicher an. »Du bleibst bei mir.«
    »Ich kann nicht«, sagte er. »Es ist nicht richtig, mich dir aufzudrängen.«
    »Hawley«, sagte sie, hielt seine Hand und machte klar, was sie meinte. »Ich möchte, dass du bleibst.
Bei mir.
«
    Er schluckte nervös und nickte. »Bist du sicher?«, fragte er.
    »Ich war mir nie sicherer«, antwortete sie wahrheitsgemäß. »Du solltest nie wieder zu ihr zurück. Du verdienst etwas Besseres als sie. Ich würde dich nie so behandeln, das weißt du. Ich würde dich schätzen, für dich sorgen.«
    Hawley verzog das Gesicht.

Weitere Kostenlose Bücher