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Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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bewirken mochte, und am Ende, ohne dass er es bewusst geplant hätte, trugen ihn seine Füße zum Haus von Ethel LeNeve. Es war ein Uhr morgens, als er bei ihr läutete, und es dauerte ein paar Minuten, bis das Licht im Korridor anging, dann aber öffnete sie die Tür einen Spaltbreit. Sie trug ihren Morgenmantel und hielt ihn fest um den Hals gezogen, als sie nach draußen linste, um zu sehen, wer da so spät noch zu ihr wollte.
    »Hawley«, sagte sie erstaunt und öffnete die Tür ein Stück weiter. »Was um alles in der Welt machst du hier?«
    »Es tut mir leid«, antwortete er leise, da ihm erst jetzt bewusst wurde, wie spät es war. »Ich hätte um diese Zeit nicht mehr kommen sollen. Ich habe dich aufgeweckt.«
    »Ist schon gut. Ich habe noch nicht geschlafen. Aber was ist geschehen? Du bist ja völlig durchnässt. Komm herein, komm herein.« Sie öffnete die Tür jetzt ganz und wich zur Seite, als er langsam eintrat, den Kopf gebeugt, geschwächt durch Verlegenheit und Demütigung. »Sieh dich nur an«, murmelte sie und schüttelte den Kopf. »Komm nach oben. Schnell, bevor wir die Nachbarn aufwecken.«
    Er folgte ihr die Treppe hinauf in den oberen Stock des Hauses, das sie nach dem Tod ihrer Eltern geerbt hatte, nahm kaum etwas wahr, sondern fiel in einen Sessel und verbarg das Gesicht hinter einer Hand. Er spürte, wie ihm Tränen des Selbstmitleids die Augen füllten, und wollte sie vor ihr verbergen.
    Ethels Zuhause bestand aus einem Flur und vier kleinen Räumen, alle hübsch eingerichtet, nichts, das fehl am Platz gewesen wäre, einem Schlafzimmer, einer Küche, einem Bad und dem gemütlichen Wohnzimmer, in dem sie saßen.
    »Es tut mir so leid«, wiederholte er, »dich um diese Zeit zu wecken. Es ist unverzeihlich. Aber mir wollte nichts einfallen, wo ich sonst hätte hingehen können. Du bist der einzige Freund, den ich auf dieser Welt noch habe.«
    »Hawley, ich habe dir gesagt, du kannst jederzeit herkommen, und das war ernst gemeint. Wir
sind
Freunde, also hör auf, dich zu entschuldigen, und sag mir, was geschehen ist. Aber lass mich dir erst ein Handtuch holen und Wasser für einen Tee aufsetzen. Du holst dir doch den Tod, wenn du zu dieser Nachtzeit ohne Mantel durch die Stadt läufst.«
    Er nickte und ließ sich nur zu gerne von ihr bemuttern. Während sie kurz im Schlafzimmer verschwand, sah er sich ein wenig um. Sie musste am Abend den Kamin angemacht haben, denn die Kohlen glühten noch und strahlten Wärme ab, auch durch das Funkengitter, das sie vorm Schlafengehen davorgestellt hatte. Über dem Sims hing das Bild eines bärtigen Mannes mit dunklen Augen, der neben einer erschrockenen Frau mit hochgesteckten Haaren stand. Die beiden sahen aus, als bereiteten sie sich darauf vor, einander umzubringen. Hawley nahm an, dass es sich um Ethels verstorbene Eltern handelte, über die sie nur wenig Gutes zu sagen hatte. Tatsächlich war das einzige Lob, das er je aus ihrem Mund über sie gehört hatte, der Hinweis, dass sie den Anstand besessen hatten, früh genug zu sterben, um ihrer Tochter ein Leben ohne sie zu ermöglichen. Auf den Regalen standen verschiedene Teekannen und Schmuckteller, Familienerbstücke, die nach dem Tod der Eltern in Ethels Besitz übergegangen waren. Plötzlich spürte er die Kälte, zitterte in seinem Sessel, rieb die Hände gegeneinander und hielt sie in Richtung der glimmenden Kohlen. Ethel kam mit einer Teekanne und zwei Tassen, und sie hatte ein Handtuch dabei, mit dem sie ihm die Haare trocknete.
    »Es ist so lächerlich«, begann er und nippte an seinem Tee. »Ich weiß nicht, warum ich mir das gefallen lasse. Die Frau muss den Verstand verloren haben, dass sie sich so benimmt.«
    »Was hat sie diesmal angestellt?«
    Er seufzte. »Sie hatte Freunde für den Abend eingeladen. Ein Paar, von dem ich nicht viel halte, und ich weiß, den beiden geht es mit mir genauso. Die Frau gehört zu Coras Music Hall Ladies’ Guild.«
    »Zu ihrer was?«
    »Das ist eine Gesellschaft, zu der sie geht, und die ihr, wie sie denkt, einen besonderen sozialen Stand verleiht. Es sind Ladys, die sich treffen, zu Konzerten gehen und hinterher zusammensitzen, um über die Musik zu sprechen und gemeinsam Tee zu trinken.«
    »Das klingt schrecklich langweilig«, meinte Ethel.
    »Ich bin sicher, das ist es«, sagte Hawley. »Aber sie glaubte schon immer, dass sie für Besseres taugt als das, was ich ihr zu bieten habe, und irgendwie geben ihr diese Frauen das Gefühl, wichtig zu sein. Zum einen

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