Der freundliche Mr Crippen | Roman
glücklich war, wenn es ihn traf.
»Holt ein paar Eimer Wasser, Jungs«, sagte er, »und geht die Seiten des Schiffes ab. Die Bordwand ist wahrscheinlich voll mit Erbrochenem von den Leuten, die das Abendessen nicht bei sich behalten konnten, und keiner der Passagiere, der auf die See hinausblickt, möchte das gerne sehen.«
Auf dem C-Deck gab es eine Offiziersmesse, in der Carter normalerweise gefrühstückt hätte, an diesem ersten Morgen jedoch ging er in den Speisesaal der ersten Klasse. Nicht, weil er besser essen wollte als die anderen, sondern weil er glaubte, dass es einen guten Eindruck machte, der vornehmen Welt sein Gesicht zu zeigen und alle Fragen zu beantworten, die es zur Überfahrt geben mochte. Wenn er jetzt nicht ging, würden sie ihn später aufzuspüren versuchen.
Entlang der Wände des Saales war ein Büfett aufgebaut worden, und er bediente sich ausgiebig, bevor er den Blick schweifen ließ, um zu sehen, wer sonst schon beim Frühstück saß. Es waren noch nicht viele Leute da, und er steuerte auf einen Tisch mit drei modisch gekleideten, hübschen jungen Damen zu, die etwa Mitte zwanzig sein mussten, als er eine weit ältere und weit weniger attraktive Frau bemerkte, die von einem anderen Tisch aus versuchte, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie wedelte mit ihrer Serviette in seine Richtung, und er fühlte sich wie ein Stier, der von einem Matador angelockt wurde. Er lächelte der Frau zu, da er unmöglich so tun konnte, als hätte er sie nicht bemerkt, und ging zu ihr hinüber.
»Guten Morgen, junger Mann«, sagte sie mit einem breiten Lächeln. Ein Stückchen Butter von ihrem Toast klebte an ihrem Kinn, und Billy Carter überlegte, ob er sie darauf aufmerksam machen sollte, entschied sich aber dagegen. »Warum setzen Sie sich nicht zu mir, ich warte auf meine Tochter, doch sie scheint sich zu verspäten. Der Himmel weiß, was sie wieder zu tun hat.«
»Aber mit Vergnügen«, sagte Carter, setzte sich und warf einen schnellen, sehnsüchtigen Blick hinüber zu den drei Sirenen an dem anderen Tisch, die sich ausgelassen glucksend unterhielten. Eine von ihnen schenkte ihm einen kurzen, koketten Blick und schaute gleich wieder zu ihren Freundinnen. »Erster Offizier Carter«, fügte er hinzu und nickte höflich mit dem Kopf.
»Oh, welch eine Freude«, kam die Antwort. »Ein Offizier. Ich bin Mrs Antoinette Drake, Kabine A 7 . Ich reise mit meiner Tochter Victoria.«
»Guten Morgen«, sagte Carter und machte sich über sein Frühstück her. Er spürte bereits, dass Mrs Drake einer der Passagiere war, die sich, falls er nicht vorsichtig war, endlos an ihm festklammern würden, und er nahm sich vor, sich nicht zu lange in ihrer Gesellschaft aufzuhalten. »Und gefällt Ihnen Ihre Reise bis jetzt?«
»Wunderbar, ganz wunderbar«, sagte sie. »Obwohl ich das Schwanken des Schiffes in der Nacht etwas stark fand. Ob Sie vielleicht mit einem Ihrer Seemänner darüber reden könnten?«
Carter lächelte. Er fragte sich, ob sie dachte, sie würden von einem Trupp römischer Sklaven über den Atlantik gerudert, die aneinandergekettet im Schiffsbauch saßen und sich ohne Unterlass in die Riemen legten. »Ich will sehen, was ich tun kann«, sagte er höflich.
»Victoria und ich haben einen leichten Schlaf, müssen Sie wissen, und ich …« Sie unterbrach sich mit einem kleinen, mädchenhaften Kichern und sah ihn verschämt an, wobei sie seinen Arm berührte. »Nun, ich brauche meinen Schönheitsschlaf, Mr Carter.«
»Aber natürlich«, sagte er und begriff nicht, dass sie mit seinem Widerspruch gerechnet hatte. Ihr Lächeln gefror von einer Sekunde auf die andere, und sie runzelte die Stirn. Wie ungezogen, dachte sie, bevor ihr wieder einfiel, warum sie ihn zu sich hergewinkt hatte.
»Sagen Sie mir, der Kapitän dieses Schiffes«, sagte sie. »Wie heißt er noch?«
»Kapitän Kendall, Ma’am.«
»Kapitän Kendall, ja. So ein starker Name. Der erfüllt einen mit Vertrauen. Er isst hier jeden Abend, ist das richtig?«
»Ich denke schon, Ma’am«, sagte er und wusste bereits, worauf sie hinauswollte. »Das ist meine erste Fahrt auf der
Montrose.
Der übliche Erste Offizier ist erkrankt.«
»Meine Tochter Victoria, wissen Sie, würde sich ungeheuer freuen, wenn sie eines Abends mit ihm essen könnte, und ich wünsche mir so sehr, dass sie diese Reise genießt. Verstehe ich es richtig, dass er abends einige der Erste-Klasse-Passagiere zum Essen an den Kapitänstisch einlädt?« Sie hob
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