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Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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versuchten verzweifelt, einander auszustechen. Die Jennings waren irische Katholiken und hatten sechs Kinder im Alter von acht Monaten bis acht Jahren, die Cora wie eine äußerst widerspenstige Bande vorkamen. Ständig verschmiert mit den Überbleibseln des letzten Essens, starrten sie die vorbeikommende Lady aus der Wohnung oben an wie ein Haufen misstrauischer Katzen. Cora besaß kein Gramm Mutterinstinkt, und wenn sie die Brut der Jennings betrachtete, hatte sie das Gefühl, solche Kinder könnten von niemandem außer ihrer Mutter geliebt werden. Als sie die Haustür endlich aufbekommen hatte und eintrat, fand sie sich dem kleinsten Jennings-Spross gegenüber, der immer nur das »Baby« genannt wurde. Cora wusste nicht, ob die Jennings sich die Mühe gemacht hatten, einen Namen für das Kind zu finden, und jetzt hielt er oder sie in ihrem/seinem Herumkrabbeln inne und sah zu, wie sie die Tür hinter sich schloss.
    »Guten Tag«, sagte Cora leicht nervös, denn das Kind hatte etwas an sich, was sie verunsicherte. Wenn sie gezwungen war, mit derart kleinen Kindern zu kommunizieren, sprach sie mit ihnen wie mit Erwachsenen. Sie weigerte sich, wie alle anderen zu gurgeln und zu gurren, als hätte sie es mit einer dementen Person zu tun. Sie eilte zur Treppe, aber noch bevor sie den Fuß darauf setzen konnte, kam Mrs Jennings auf der Suche nach ihrem Jüngsten aus der Küche, Hände und Wangen voller Mehl, da sie gerade ein Brot backte.
    »Oh, guten Tag, Mrs Crippen«, sagte sie in dem vornehmen Ton, dessen sie sich befleißigte, wenn sie mit Cora sprach, und der im völligen Gegensatz zu ihrem sonstigen Akzent stand, mit dem sie den ständig betrunkenen Mr Jennings anschrie. »Ja, sehen Sie nur. Bis auf die Haut durchnässt.«
    »Ich bin vom Regen überrascht worden«, erklärte Cora. Es ärgerte sie, dass Mrs Jennings sie so sah, durchweicht, schmutzig und mit tropfnassen Strähnen, die ihr über Stirn und Hals hingen.
    »Sie armes Ding. Sie sehen ja aus wie ein nasses Geschirrtuch!«
    »Oh, dafür sind Sie voller Mehl, Mrs Jennings«, flötete Cora. »Hawley und ich, wir kaufen unser Brot beim Bäcker. Aber es schmeckt bestimmt viel besser, wenn einen die Umstände zwingen, es selbst zu backen. Das Gefühl, etwas geschafft zu haben, zaubert ein Lächeln noch auf die ärmsten Gesichter.«
    »O ja«, sagte Mrs Jennings, die absolut in der Lage war, es ihr mit gleicher Münze heimzuzahlen, »und es muss so viel leichter sein, die Einkäufe nach Hause zu schaffen, wenn man ein so muskulöses Ding ist wie Sie. Als ich Sie das erste Mal sah, dachte ich, Sie müssten ein Mann sein, mit diesen kräftigen Schultern.«
    Cora lächelte. »Guten Tag«, sagte sie und knirschte mit den Zähnen. Sie war zu nass, und ihr war zu kalt, als dass sie das kleine Scharmützel noch hätte weitertreiben wollen. »Aber Sie wissen ja, wie es ist, Mrs Jennings«, sagte sie dann dennoch, bevor sie ihren Weg fortsetzte. »Wenn ich erst einmal einzukaufen beginne, kann ich nicht mehr aufhören. Ich ertrage es nicht, nach der letzten Saison gekleidet zu gehen. Manche Leute schaffen das ja und halten alles erstaunlich frisch, aber dazu fehlt mir das Talent. Das ist übrigens eine hübsche Bluse, die Sie da tragen. Ich hatte früher eine ganz ähnliche.«
    Mrs Jennings lächelte. Ihr missfiel an Cora vor allem der amerikanische Akzent, der deutlich durch ihren affektierten Upperclass-Ton drang.
    »Allerdings war ich gerade nicht nur einkaufen, wissen Sie«, sagte Cora und stellte die Taschen ab, da ihre Unterhaltung nun offenbar doch noch weiterging. »Ich hatte einen Termin mit Signor Berlosci, meinem Gesangslehrer. Die Luft in London ist so schlecht, dass ich ein wenig Unterstützung brauche, um meine Stimmbänder in Form zu halten.«
    »Wirklich«, sagte Mrs Jennings, der ihr Lächeln ins Gesicht gemeißelt schien. »Ich habe immer gedacht, Singen sei eine natürliche Begabung. Man kann es, oder man kann es nicht, und es muss nicht extra trainiert werden. Dass es sich in der Hinsicht verhält wie mit der Gebärfähigkeit.«
    »Für den Durchschnittsmenschen, ja, aber ich bin eine ausgebildete Berufssängerin, Mrs Jennings. In New York war ich die Hauptattraktion in den Music Halls der ganzen Stadt. Jemand mit meinen Fähigkeiten muss seine Stimme pflegen wie ein Musiker seine Stradivari. Das ist eine Geige, Mrs Jennings«, fügte sie mit einem besonders breiten Lächeln hinzu. »Wissen Sie, ich gebe in der Woche einen Shilling allein

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