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Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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fortsetzen.«
    »Und ein Star werden, richtig?«
    »Ja«, sagte sie entschlossen.
    »Nun, London ist der richtige Ort dafür«, sagte er und lächelte geziert. »New York ist gut und schön, dem kultivierteren Menschen erscheint es jedoch mitunter etwas billig und geschmacklos. Aber London – und Paris und Rom natürlich –, das sind die Zentren der Vortrefflichkeit. Die wirklich großen Sängerinnen müssen ihre Kunst hier ausüben, meinen Sie nicht auch?«
    »Doch, das meine ich«, sagte sie atemlos. »Oh, das meine ich ganz sicher.«
    Berlosci stellte sie ans Fenster und gab ihr einige Anweisungen, was sie tun sollte. Er setzte sich ans Klavier und spielte ein mittleres C, auf das Cora mit einem Arpeggio antwortete: C-E-G-C-G-E-C. Er spielte ein D, und sie ging einen Ton hinauf, dann ein E, und sie ging noch einen höher. Bei G hörte er auf, drehte sich um und sah sie an. Cora hüstelte, wie um zu sagen, dass sie erkältet sei und deshalb nicht ihre beste Leistung zu bringen vermöge. Sie fing bereits an, sich zu entschuldigen.
    »Sehr schön«, sagte Berlosci in einem ruhigen Ton, der anzudeuten schien, dass er gerade einer Solistin aus dem himmlischen Chor der Engel gelauscht hatte. »Sie haben eine schöne Stimme.«
    »Danke«, sagte sie und fühlte sich erleichtert, denn so selbstsicher sie sich auch geben mochte, war sie doch nicht völlig überzeugt, dass sie wirklich das nötige Talent hatte.
    »Wir haben jedoch noch einige Arbeit zu leisten.«
    »Haben wir das?«
    »Sicherlich. Sie verfügen über die natürlichen Gaben, doch sie müssen verfeinert werden. Ihre Atemtechnik lässt zu wünschen übrig. Sie singen mit der Kehle und nicht mit dem Zwerchfell, wo die Noten eigentlich gebildet werden. Aber das ist eine Frage der Technik. Allerdings kostet es Arbeit, sie zu vervollkommnen.«
    »Ich bin bereit zu arbeiten, Signor Berlosci«, sagte Cora. »Ich werde tun, was nötig ist.«
    »Und natürlich ist Arbeit teuer. Ich stelle zwei Shilling pro Stunde in Rechnung, und wir müssen uns viermal in der Woche treffen, jeweils für eine Stunde. Wie klingt das für Sie?«
    Cora machte eine schnelle Überschlagsrechnung im Kopf und schluckte nervös. Das war viel Geld, besonders angesichts des Gehalts, das Hawley bei Munyon’s bekam. »Das ist in Ordnung«, sagte sie bestimmt. »Wann können wir anfangen?«
    Während sie auf Hawley wartete, schickte Cora ein leises Gebet zum Himmel, dass er ihr das Geld für ihre Gesangsstunden nicht verweigerte. Er reagierte ihr gegenüber in letzter Zeit immer gereizter, und sie machte sich Sorgen, ihn nicht so unter Kontrolle zu haben, wie sie es sich wünschte. Das musste sie ihm austreiben. Ihre Beziehung würde niemals überleben, wenn er zu viel zu sagen bekam, das wusste sie. Also würde sie ihn einfach nur darüber informieren, dass sie das Geld brauchte – dass sie beide es brauchten, wenn sie eine erfolgreiche gemeinsame Zukunft haben wollten –, und er würde es ihr ohne eine weitere Frage geben.
    Sie hörte ihn unten hereinkommen und gleich die Treppe heraufsteigen. Wie immer wollte er unbedingt vermeiden, dass Mr Jennings ihn sah und betrunken die Fäuste gegen ihn erhob. Als er durch die Tür kam, sah sie jedoch noch etwas ganz anderes in seinen Augen, den Ausdruck völliger Verdrossenheit; sie sah Wut, ja, sogar Hass. Er nickte ihr zu, warf den Hut aufs Bett und ging ohne ein Wort ins Bad. Sie hörte, wie er den Wasserhahn über dem Waschbecken aufdrehte, und als er nach ein paar Minuten wieder erschien, waren sein Gesicht gerötet und sein Kragen nass, als hätte er sich mit aller Kraft den Schmutz des Tages abwaschen wollen.
    »Was für ein Nachmittag«, sagte Cora und lehnte es ab, ihn danach zu fragen, ob etwas geschehen war, obwohl es doch eindeutig so sein musste. »Ich war zu meiner ersten Stunde bei Signor Berlosci.«
    »Bei wem?«, fragte Hawley geistesabwesend.
    »Bei Signor Berlosci. Ich habe dir von ihm erzählt. Der Gesangslehrer. Drüben am Tavistock Square. Ich war bei ihm.«
    »Ach ja«, sagte er und ließ den Blick durch die Wohnung gleiten. In der Spüle stapelte sich das schmutzige Geschirr vom Abend zuvor, und an einer quer durchs Zimmer gespannten Schnur trockneten Kleidungsstücke. Direkt hinter Cora hing eine ihrer Bühnenstrumpfhosen wie ein Paar amputierter Beine. Der Anblick drehte ihm den Magen um. Wenn er eines zu Charlottes Gunsten sagen konnte, dann, dass sie die Wohnung immer in Ordnung gehalten hatte. »Dann war heute also

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