Der Frevel des Clodius
Clodius gehörte zum patrizischen Zweig der Claudier, wollte aber Volkstribun werden, ein Amt, das nur Plebejern offenstand. Er könnte Plebejer werden, wenn er sich von einer plebejischen Familie adoptieren ließe, was allerdings nicht so ohne weiteres ging, wenn der Senat sich widersetzte.
»Letztes Jahr hat Cato als Tribun der ganzen Sache ein vorläufiges Ende bereitet, indem er einfach sein Veto eingelegt hat. In diesem Jahr hat sich Cicero mit Zähnen und Klauen dagegen gewehrt. Gefährlich wie er jetzt schon ist, wird Clodius als Tribun noch zehnmal destruktiver wirken können.« In vielerlei Hinsicht war das Tribunal damals das mächtigste Amt in Rom. Die Tribunen konnten Gesetze einbringen und jede Senatsentscheidung mit ihrem Veto blockieren. Der Gedanke, daß Clodius über derartige Macht verfügen könnte, ließ mich erschauern.
»Mich dafür einzusetzen, Clodius' Ambitionen zu hintertreiben, ist etwas, wozu ich keiner besonderen Motivation bedarf«, informierte ich Celer.
»Geh ihm aus dem Weg«, mahnte er mich. »Ich weiß nicht, warum er weiter hier in Rom herumlungert, wo doch in Sizilien seine Pflichten auf ihn warten, aber ich bin sicher, daß er wieder irgendeine Teufelei ausheckt.«
»Davon kann man bei Clodius immer ausgehen.« »Wie wahr. Nun, da wir gerade beim Thema sind. Wir älteren Familienmitglieder haben erörtert, was wir möglicherweise zu unternehmen gezwungen sein könnten, wenn Clodius für das Tribunat kandidiert, was er mit Sicherheit tun wird, wenn er lange genug lebt.«
»Und was habt ihr entschieden?« fragte ich.
»Wir wollen, daß du dann ebenfalls für ein Tribunat kandidierst.«
Ich kam mir vor wie ein Opferochse, der soeben von Assistenten des Flamen einen Schlag auf den Kopf bekommen hat. »Ich? Aber in der Familie wimmelt es geradezu von qualifizierten Männern.«
»Unsinn. Du bist eine perfekte Wahl. Deine Abstammung ist makellos. Dein Vater ist gerade Censor gewesen, und du verfügst über alle Qualifikationen für das Amt. Nicht, daß es darauf ankäme - jeder Bürger kann zum Tribun gewählt werden, solange er kein Patrizier ist. Du bist zwar von Adel, bist jedoch wegen deiner Heldentat mit dem Oktober-Pferd so etwas wie ein Liebling des Volkes.« Er grinste bei dieser Erinnerung, während ich zusammenzuckte.
»Nun«, fuhr Celer fort, »ich glaube, daß Cicero deinen Freund Titus Milo für dasselbe Amt umwirbt. Die Vorstellung, daß der Anführer einer kriminellen Bande Tribun werden könnte, gefällt mir überhaupt nicht, aber ich gebe zu, daß er immer noch besser ist als Clodius.«
»Milo ist eine ausgezeichnete Wahl«, sagte ich. »Ich selbst habe ein Tribunat noch nie in Erwägung gezogen. Ich fühle mich natürlich geschmeichelt, daß ihr mich des Amtes für würdig erachtet.«
»Fühl dich bloß nicht zu geschmeichelt«, sagte er. »Die Wahl ist vor allem deshalb auf dich gefallen, weil Clodius dich so sehr haßt. Er wird von eurer Feindschaft so abgelenkt sein, daß er vielleicht nicht allzuviel Unheil anrichten kann.« »Ich verstehe.« Mein Verstand arbeitete wie ein im Faß fermentierender Wein. »Wenn Milo und ich im selben Jahr Tribun werden, können wir Clodius mit vereinten Kräften in Schach halten.«
»Du schaltest schnell«, sagte Celer. »Vielleicht hast du eine Zukunft in der römischen Politik. Na ja, das ganze ist möglicherweise noch Jahre hin, aber ich möchte, daß du darüber nachdenkst.«
»Sei versichert, daß ich über praktisch nichts anderes nachdenken werde«, sagte ich. Irgendwie mußte ich mich da rauswinden. Clodius haßte mich schon als gewöhnlichen Feind genug. Wenn ich ihm auch noch als politischer Gegner gegenübertrat, würde seine Niedertracht keine Grenzen mehr kennen. Theoretisch galt das Leben eines Tribuns als sakrosankt und seine Ermordung als Frevel. Das Problem war nur, daß Clodius sich sozusagen auf frevelhafte Taten spezialisiert hatte.
»Was heckt ihr beide denn aus?« Die Stimme kam von dem Säulengang, und wir wandten uns in die Richtung. Ich hatte sie natürlich sofort erkannt.
Clodia war noch immer eine der großen Schönheiten Roms, und zur damaligen Zeit eine der berüchtigtsten dazu. Sie war genauso bekannt für ihren Charme und Witz wie für ihre Bildung und ihr Mäzenatentum für Künstler und Poeten. Vor allem aber war sie gefürchtet. Man verdächtigte sie der Komplizenschaft bei einer Reihe von Morden, und ich wußte zufällig, daß sie in einigen Fällen auch schuldig
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