Der Frevel des Clodius
Ahnung, was diese kleine Szene zu bedeuten hatte, aber ich nahm einen Eindruck mit, der mich noch Jahre später verfolgen sollte. Ich wollte nie im Leben so von Gaius Julius angelächelt werden.
Mein Verwandter Metellus Creticus stand in der Nähe und hatte die unerfreuliche Szene mitbekommen. Jetzt trat er hinzu, um für Ablenkung zu sorgen.
»Kein Wunder, daß Decius mit dem Datum durcheinandergekommen ist«, sagte er. »Das geht allen anderen auch so. Der Kalender ist ja wieder völlig verdreht. Das ist doch deine Aufgabe, Gaius Julius. Wann wirst du die notwendigen Korrekturen vornehmen?« Unser Kalender richtete sich nach dem Mond, und da ein Jahr nach dem Lauf der Sonne nicht völlig mit dem Rhythmus der Mondphasen übereinstimmt, geriet unser Kalender alle paar Jahre in Unordnung, und der Pontifex maximus mußte einen zusätzlichen Monat einschieben, um ihn wieder auf Stand zu bringen. Caesar hatte das Problem seit seiner Wahl ignoriert, wahrscheinlich weil er im Grunde ein fauler Mann war.
»Dieser klapprige alte Kalender ist ohnehin nicht mehr zu retten«, sagte Caesar. »Ich schlage vor, den Kalender grundsätzlich zu reformieren, so daß er nie wieder angepaßt werden muß.« l Die gute Idee eines faulen Mannes, dachte ich. »Und wie willst du das bewerkstelligen?« fragte ich ihn.
»Ich werde die besten Astronomen und Mathematiker, die es gibt, versammeln und ihnen den Auftrag geben, einen vernünftigen Kalender zu entwickeln, bei der die Zahl der Monate immer gleich bleibt. Ich glaube, das ist durchaus machbar, wenn wir uns an die Vorstellung gewöhnen, daß nicht jeder Monat gleich viele Tage hat und daß ein Monat nichts mit den Mondphasen zu tun hat.«
»Das hört sich zu radikal an für meinen Geschmack«, sagte Creticus. Damals hielt ich es für sein übliches großspuriges Gerede, aber ein paar Jahre später hat Caesar seinen Plan tatsächlich in die Tat umgesetzt, und seither mußten wir den Kalender nicht mehr anpassen. Selbst ein Mann wie Gaius Julius kann hm und wieder etwas richtig machen.
In der Zwischenzeit hatten Clodius' Freunde ihn weggeführt, und mir kam der Gedanke, daß irgend jemand, Clodia vielleicht, die Devise ausgegeben hatte, uns beide auseinanderzuhalten, eine Konstellation, mit der ich gut leben konnte. Während ich auf Geiers Erscheinen wartete, fiel mir etwas auf, was ich schon tags zuvor auf dem Forum vermutet hatte; ich war unter den Publicani zum gefragten Mann avanciert. Die meisten von ihnen waren wohlhabende Equites, Männer aus der Baubranche oder Pächter landwirtschaftlicher Großbetriebe. Sie schienen sämtlich darauf erpicht, meine Bekanntschaft zu machen, und fragten gezielt nach dem Wohlbefinden meines Vaters. Da den Censoren die Zuständigkeit für die Verpachtung öffentlicher Dienstleistungen oblag, war ich ganz offensichtlich ein Mann, dessen Gesellschaft es zu pflegen galt. Sie deuteten an, daß ich, wenn ich sie meinem alten Herrn empfehlen würde, zu den Saturnalien mit überaus großzügigen Geschenken rechnen durfte. Es sah so aus, als würde es mir endlich gelingen, meiner chronischen Finanzmisere zu entkommen.
Das galt damals wohlgemerkt nicht als Korruption, obwohl es der Erste Bürger sicher so sehen würde. Er behauptet, daß wir in jenen Tagen durch und durch korrupt waren, er aber alles in Ordnung gebracht und die Korruption aus der Welt geschafft habe. Wie üblich schmeichelte er sich selbst. Er hat lediglich dafür gesorgt, daß ein fettes Stück jedes gezahlten Bestechungsgeldes bei ihm landet.
Als der Besitzer eines Steinbruchs gerade im Begriff war, mir ein Loch ins Ohr zu quatschen, ertappte ich mich dabei, wie ich mich leicht zu einer Gruppe von Männern hinüberneigte, die sich um Clodius geschart hatte. Ich hatte gute Ohren und habe es immer geliebt, fremde Gespräche zu belauschen, vor allem solche, in denen möglicherweise meine Ermordung erörtert wurde. Aber sie redeten nicht über mich.
»Aber was genau treiben die Frauen auf dieser Zeremonie eigentlich, hä?« Clodius' Stimme triefte vor anzüglichen Andeutungen. Ich mußte mir schuldbewußt eingestehen, daß ich mich genau das auch schon gefragt hatte.
»Jeder hochgeborene Ehemann Roms fragt sich das«, sagte ein Mann, dem bei dem Gedanken, was seine Frau morgen nacht möglicherweise anstellen könnte, ganz offensichtlich nicht behaglich war.
»Aber«, sagte ein junger Mann, den ich nicht kannte, »was soll da schon groß passieren? Ich meine, schließlich sind es doch
Weitere Kostenlose Bücher