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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
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Stimme einzubüßen.
    Ich gab ihr die gebotenen Anweisungen und verließ sie, um meinerseits zum Yogazentrum des Swami Pandit Shvimimshaumbad in die Calle Calabria zu gehen. Bevor ich das Haus betrat, fragte ich den Juli, ob er den Swami wiedergesehen habe, was er verneinte. Trotzdem klingelte ich beim Zentrum. Sogleich ging die Tür auf, und da es keinen Aufzug gab, stieg ich zu Fuß in den dritten Stock hinauf. Die Tür des Zentrums war nur angelehnt. Im Empfangsbereich gab es einen winzigen Tisch, und dahinter saß eine sehr blasse Empfangsdame mittleren Alters mit schlecht gefärbten Haaren. Die Luft war unerträglich weihrauchgeschwängert. Außer mir schien es keine weitere Kundschaft zu geben, aber dennoch bemerkte mich die Empfangsdame erst nach einer Weile, und dann musterte sie mich so gleichgültig, dass mir klar war, sie würde, wenn ich nichts von mir gab, es ebenfalls nicht tun. Ich nahm den Hut ab und sagte dem andächtigen Ambiente entsprechend sanftfromm:
    «Ave Maria Purissima, ist der Swami zu sprechen?»
    «Haben Sie einen Termin?»
    «Nein.»
    «Sind Sie von einer Versicherung?»
    «Eigentlich komme ich nicht auf der Suche nach Frieden, sondern in offizieller Mission. Ich bin heute Morgen aus Tibet angekommen.» Und da sie eine ungläubige Grimasse schnitt, fügte ich eilig hinzu: «Nachdem ich unsere Zentrale in Madrid aufgesucht habe. Sie wissen schon, was ich meine.»
    Ich blinzelte ihr zu und machte eine kabbalistische Geste. Sie sah mich misstrauisch an und stand auf. Ich fürchtete schon, sie würde im Treppenhaus um Hilfe rufen, aber sie sagte gelassen:
    «Ich weiß nicht, ob der Swami beschäftigt ist. Oder meditiert. Warten Sie einen Augenblick. Sagen Sie mir bitte noch einmal Ihren Namen?»
    «Sugrañes. Placidísimo Sugrañes, er möge in Frieden ruhen.»
    Sie ging durch einen kurzen Flur, klopfte sanft an die hinterste Tür und trat ein. In der Zwischenzeit versuchte ich den Terminkalender zu studieren, um zu sehen, ob sich ein aufschlussreicher Name darin befand, doch die Zeit war zu knapp – sogleich erschien die Empfangsdame wieder, kam den kurzen Weg zurück und flüchtete sich erneut hinter ihren Tisch.
    «Sie können eintreten», sagte sie und zog eine Stoppuhr hervor. «Der Swami gewährt Ihnen zehn Minuten. Danach kostet die Minute fünf Euro plus Mehrwertsteuer.»
    Ich nickte untertänigst und betrat das Heiligtum des Swami. Das Zimmer war nicht sehr groß und hatte ein rechteckiges Fenster zur Straße hin. Hier musste der Juli den Swami gesehen haben. Ein Schreibtisch nahm den größten Teil des Raumes ein, und davor standen zwei Klappstühle. An den Wänden versuchten Papierblumen und Gebirgslandschaften die Risse und abgeblätterten Stellen zu verdecken. Auf dem Tisch stand ein gerahmtes Foto. Auf den ersten Blick und ohne Brille schien die abgebildete Person einen Elefantenkopf zu haben. Wenn es seine Frau war, erstaunte es mich nicht, dass er Lavinia Torrada den Hof machte. Aber was mich am meisten überraschte, war die Person des Swami: Anstelle der vom Juli beschriebenen asketischen Vogelscheuche sah ich mich einem Mann mittleren Alters mit regelmäßigen Zügen gegenüber, sauber rasiert und in einem gutgeschnittenen Sommeranzug steckend, wahrscheinlich derselbe Mann und derselbe Anzug, die der Dandy Morgan einige Stunden zuvor im Peugeot 206 gesehen hatte. Mit einer matten Handbewegung wies er auf einen Stuhl, deutete ein herablassendes Lächeln an und fragte:
    «Womit kann ich Ihnen dienen, Señor Sugrañes?»
    «Das sage ich Ihnen sogleich, doch beseitigen Sie mir vorher einen Zweifel: Sind Sie wirklich der Swami? Ich meine, der rechtmäßige Swami?»
    «Es gibt keinen anderen. Pandit Shvimimshaumbad, in Harmonie mit der Weltenordnung und der Sphärenmusik. Aber mit dem dritten Auge entdecke ich Erstaunen in Ihrem Geist und auf dem Gesicht einen einfältigen Ausdruck.»
    «Ja, offen gestanden habe ich jemand anderen erwartet. Ich meine, eine mit dem traditionellen Image eher übereinstimmende Person … Bart, Laken und all das.»
    «Pah», sagte er und würzte das Lächeln mit einem süffisanten Zug, «die Erscheinungen sind nur Erscheinungen, wie uns die heiligen Bücher lehren. Die Weisheit liegt innen. Und der innere Frieden liegt ebenfalls innen, wie der Name selbst ja sagt. Die Sekretärin hat mir mitgeteilt, Sie kommen aus Tibet», fügte er mit unverhohlener Ironie hinzu.
    Da das Gespräch nicht wie gewünscht verlief, beschloss ich, die herkömmliche

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