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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
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nur mit zwei Geheimnissen zu tun.»
    «Vielleicht sehen Sie drittes nicht. Vielleicht ist drittes Schlüssel zu erstem und zweitem.»
    «Wie dem auch sei, ich werde die Augen offen behalten und die Wachsamkeit verstärken. Jetzt muss ich gehen. Ich erlaube mir diese Freiheiten» – das erklärte ich, damit er im Viertel nicht mein Fehlverhalten ausposaunte – «wegen der für diese Jahreszeit typischen schlecht laufenden Geschäfte. In einigen Tagen werden meine Kundinnen aus dem Sommerurlaub zurückkommen, und dann wird hier die Hölle los sein. Bis dahin muss ich den Fall gelöst haben. Oder die ganzen Geheimnisse aufgedeckt, wie Sie sich ausdrücken. Und keine Angst: Ich werde pünktlich zu den Langusten zurück sein.»

6
WO SICH DER KOSMOS DREHT
    Bevor ich mich auf den Weg machte, las ich einige Haare vom Boden auf und bastelte mir einen Schnurrbart und borstige Augenbrauen, die mir ein bedrohliches Aussehen verliehen. Mitten im Verwandlungsprozess kam Quesito, die ich bereits vergessen gehabt hatte, und erschrak gewaltig. Ich gab ihr das Foto, wiederholte den Auftrag, und sie machte sich davon. Nachdem die Maskerade zur Zufriedenheit ausgefallen war, lieh ich mir im Warenhaus einen Notizblock und eine Füllfeder im Wert von insgesamt 3,70 Euro aus mit dem Versprechen, beides zur Mittagessenszeit unbenutzt zurückzubringen. In der chemischen Reinigung borgte ich einen Regenmantel und einen Hut. In dieser Aufmachung, die mir den Schweiß aus allen Poren trieb, suchte ich den Dandy Morgan auf.
    Ich fand ihn nicht gleich – um sich vor der Sonne zu schützen und kein Aufsehen mehr zu erregen, hatte er sich im Schatten der Bäumchen eingerichtet, wo er die Vorteile des Schattens gegen die Nachteile einer Taubenschlagexistenz abwog. Da er mich nicht erkannte, als ich ihn ansprach, wäre er beinahe von seinem Podest gefallen.
    «Was für ein Aufzug», rief er, ohne die Lippen zu bewegen.
    «Das sagst ausgerechnet du. Ist was passiert?»
    «Und ob: Heute früh hatte ich das Gefühl, die Unterinspektorin zu sehen, die dich gestern besucht hat. Ich kenne sie zwar nicht, aber die Schmiere rieche ich auf fünf Meilen, und auf die passt deine Beschreibung genau. Sie ist in einem Seat gekommen mit einem Muskelprotz am Steuer. Der ist im Auto geblieben und hat telefoniert, während sie ins Haus gegangen ist. Dort ist sie etwa zehn Minuten geblieben. Nachdem sie gegangen war, sind wieder etwa fünf Minuten verstrichen. Dann ist das Prachtstück rausgekommen mit halboffenem Reißverschluss am Kleid. In diesem Moment ist der mit dem Peugeot 206 angefahren gekommen, offenbar hatte sie ihn benachrichtigt. Sie ist eingestiegen, und dann sind sie mit Karacho davongesaust. Die genaue Zeit für all das kann ich dir nicht nennen, weil ich von meinem neuen Standplatz aus das Radio in der Kneipe nicht mehr höre. Die kurvenreiche Freundin ist erst vor kurzem zurückgekommen, den Reißverschluss immer noch halb offen.»
    «Ach, mein Lieber, wenn ich dir erzählte, wie sie sich mit dem armen Reißverschluss abplagt. Hast du den Typen mit dem Peugeot 206 erkennen können? War es nun der Swami mit Tunika und Bart, den der Juli im Yogazentrum gesehen hat?»
    «Nicht die Spur. Das ist ein ganz normaler Typ in gestreiftem Anzug und mit Wild- oder Korduanlederschuhen. Und das Auto ist in untadeligem Zustand.»
    Es war sehr verdienstvoll, mir so vieles zu erzählen, ohne den Mund zu bewegen oder den tragischen Ausdruck einer Person zu verändern, die ihr Schicksal auf sich nimmt und den Verlust der überseeischen Kolonien vorhersieht, während in der Krone zwei junge Tauben hüpfen und zwitschern. Aus dem Gesagten schloss ich, dass Lavinias Verführungsversuch vom Besuch der Unterinspektorin ausgelöst worden war, die ihr wahrscheinlich meine Adresse mitgeteilt hatte. Vielleicht hatte sie ihr auch die Geschichte mit dem Schemel erzählt. Damals hatte ich es Romulus dem Schönen anvertraut, und der wiederum hatte es möglicherweise seiner Frau berichtet, aber ich denke lieber, mein Freund habe das Geheimnis nicht preisgegeben, und schließe nicht aus, dass die Polizeiarchive so verkommen sind und auf diese schäbigen Paradigmen menschlicher Schwäche zurückgreifen.
    «Wir müssen sie unbedingt», wechselte ich übergangslos vom inneren Monolog zur gesprochenen Rede, «aus nächster Nähe überwachen. Und ihren Komplizen, sei es der Swami oder nicht. Wenn ich es tue, werde ich sofort entlarvt. Kommt dir etwas in den Sinn?»
    «Die Moski»,

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