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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
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hatte, «geh nach Hause. Es ist Essenszeit, und sicher erwartet dich deine Mutter.»
    «Meine Mutter isst nicht zu Hause. Sie hat mir Geld gegeben, damit ich essen gehen kann, aber bei dieser Hitze habe ich es für ein Taxi ausgegeben, um hierherzukommen. Es reicht grade noch für ein Magnum.»
    «Kommt nicht in Frage. In deinem Alter muss man sich richtig ernähren. Ich bin privat eingeladen, aber wenn du mitkommst, wird es ihnen nichts ausmachen. Sie sind sehr gastfreundlich. Gleich hier gegenüber.»
    Nach allem, was sie mir eben erzählt hatte, mochte ich sie nicht allein durch die Welt streichen lassen. Wie beim vorigen Mal wartete die ganze Familie Lin vor der Tür, vor Hitze rot wie Paprikaschoten, aber lächelnd und ehrerbietig, und sahen mich mit großer Befriedigung in Quesitos Begleitung kommen.
    «Wo zwei satt werden, reicht es auch für drei, wie man bei Ihnen sagt», lachte das Familienoberhaupt, um meine weitschweifigen Erklärungen zu unterbrechen. «In meinem Land hätte dieser Satz natürlich überhaupt keinen Sinn. Aber wir sind ja in Barcelona, und es ist eine große Ehre für diese bescheidene Familie, Ihre ehrwürdige Tochter zu empfangen. Sie gleichen sich beide sehr. Alle Abendländer gleichen sich, aber in diesem Fall ist die Ähnlichkeit erstaunlich.»
    Ich mochte ihn nicht enttäuschen, und auch Quesito unternahm nichts, um ihn aufzuklären.
    Wir hatten den Laden betreten, und während wir nach hinten gingen, wo von dem gedeckten Tisch ein erlesener, erquickender Duft ausging, stellte ich Quesito allen vor. Señor Lin sagte zu ihr:
    «Das ist ein schöner Name: Kue-schi-tou. In unserer Sprache bedeutet er Mondnacht im Sommer.»
    «Stimmt nicht», sagte der kleine Quim. «Es heißt Abgelaufenes Zäpfchen.»
    Sein Vater gab ihm eine liebevoll-sonore Kopfnuss und sagte entschuldigend:
    «Kleiner Quim großer Lügner. Studierst oder arbeitest du, Kue-schi-tou?»
    «Ich habe die erste Sekundarstufe abgeschlossen», sagte sie. «Und wenn ich in der Aufnahmeprüfung ein Genügend schaffe, würde ich gern Pädiatrie studieren, um den Kindern in der Dritten Welt zu helfen. Aber ich wär auch gern Fernsehmoderatorin. Ich werde mich im letzten Moment entscheiden.»
    «Das sind ehrwürdige Berufe», sagte Señor Lin. «Dein Vater wird stolz auf dich sein, welchen du auch wählst. Aber wer wird den großen Damensalon übernehmen?»
    «Kinder», meldete sich Großvater Lin zu Wort, «müssen Tradition von Eltern folgen. Vorfahren geben Weg zum Folgen vor. Fleißige Vorfahren, blühende Familie. Faule Vorfahren, Familie an Arsch.»
    Der kleine Quim war neben Quesito getreten und sagte zu ihr:
    «Hör nicht auf ihn. Großvater hat einen Hau.»
    Señor Lin und Großvater Lin verpassten ihm je eine Kopfnuss, und wir setzten uns ohne weitere Vorrede zu Tisch. Señora Lin verschwand im Hinterraum und kam mit einem dampfenden Topf zurück. Der kleine Quim holte mehrere Reisschälchen, und eine Weile aßen wir wortlos. Sie waren so nett gewesen, mir normales Besteck hinzulegen; Quesito dagegen kam mit den Stäbchen bestens zurecht und aß mit großem Appetit von den Leckerbissen. In einer Pause ergriff Großvater Lin das Wort, um den Faden seiner durch das Essen unterbrochenen Abhandlung wiederaufzunehmen.
    «Jugend ist von Natur aus rebellisch, immer und überall. Als ich jung war, war ich auch unbesonnen. Ich erinnere mich mit Wärme an Kulturrevolution. Wir gaben Eltern auf Dach, und in Schule erhängten wir Lehrer. War cool! Aber Alter gebietet Reife. Damals Revolution, jetzt Ramsch verkaufen.»
    «Mein ehrwürdiger Vater hat recht», sagte Lin Fuma. «Man betrachte nur mal den Fall des kleinen Quim. Er möchte sicher gern Fußballer werden. Vielleicht Astronaut. Aber wenn er mit dem Studium fertig ist, wird er Geschäftsführer des Ladens, wie sein Vater. Oder großer Koch, wie seine Mutter.»
    «Oder große Nervensäge, wie Großvater», sagte der kleine Quim.
    Es hagelte Kopfnüsse, und in dieser humoristischen Stimmung nicht ohne Zärtlichkeit und weise Lehren nahm das Mahl sein Ende. Ich bedankte mich mit einer langen Ansprache, und Quesito schloss sich meiner Dankbarkeit und meinem Lob diskret an. Die Familie Lin wiederum drückte aus dem Munde Señor Lins ihre unermessliche Befriedigung darüber aus, mit uns Zeit und Speise geteilt zu haben, und wiederholte die Einladung, so oft wiederzukommen, wie wir Lust hätten. Bevor wir uns trennten, schoss der kleine Quim zur Erinnerung an das Treffen mit

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