Der Friseur und die Kanzlerin
Eventualitäten vorbereitet» – er meinte die Überschwemmung – «und auch auf Ihre Stinklaune. Schirm und Kleid waren nur Vorwand für Besuch, aber meiner bescheidenen Kriegslist ist durch Ihre große Intelligenz Strich durch Rechnung gemacht worden. Darf ich auf Stuhl klettern? Feuchtigkeit ist fatal für Gelenke. Und Akupunktur taugt nichts: Dreißig Jahre Hintern zerstochen, und sehen Sie nur, wie gebeugt ich bin.»
Angesichts meiner frostigen Zustimmung erklomm er den Stuhl und schlug die Beine übereinander. Nachdem ich mir höflich- und schicklichkeitshalber und auch, weil der Regenguss, wenigstens vorübergehend, die Luft gereinigt und die Temperatur hatte sinken lassen, das Kleid übergeworfen hatte, arbeitete ich weiter. Er schaute mir eine Weile schweigend zu und sagte dann:
«Ich sehe, dass das lange dauern wird, und so lege Ihnen ohne Umschweife meine Meinung zu aktueller Lage dar. Ich meine nicht Regen, sondern Zukunft Ihres großen Damensalons und Zukunft von Ihnen. Ich habe Ihre Reaktion gesehen, als Ihnen mein ehrwürdiger Sohn seinen ebenfalls ehrwürdigen Vorschlag gemacht hat. Denken Sie vor allem daran, dass letzte Entscheidung bei Ihnen liegt: Sie können ja sagen, Sie können nein sagen, und Sie können Antwort auch schuldig bleiben. Wir werden jede Option verstehen, und keine wird an unserem großen Respekt und an unserer Zuneigung für Sie etwas ändern. Meiner bescheidenen Meinung nach ist Entscheidung nicht schwierig, aber schmerzhaft. Zeiten verändern sich und wir nicht. Da liegt Hase in Pfeffer.»
Da bei der Beschwörung dieser heiter-tiefsinnigen Betrachtungen der Fäkalsprudel etwas nachgelassen hatte, floss das Wasser auf die Straße zurück, und parallel dazu verflogen meine Konsternation und meine Wut, und in meinem Gemüt verblieb ein morastiges Substrat von Müdigkeit. Als er meine Ermattung bemerkte, setzte Großvater Lin seine Tirade fort:
«Seit erstem Tag unseres gegenseitigen Kennenlernens in Laden habe ich gemerkt, dass Sie und meine bescheidene Person Zwillingsgeister sind wie Konstellation Fix und Foxi an unserem Firmament. Mein ehrenwerter Sohn sowie meine ehrenwerte Schwiegertochter gehören einer anderen Generation an. Und zwischen ihnen und kleinem Quim ist Unterschied abgrundtief. Sind wir anders? Nein. Menschliche Natur neigt zu Dickwerden, verändert sich aber nicht. Mehr Kohlenhydrate, gleiche Gene. Gleicher Ehrgeiz, gleiche Ängste, gleiche Träume. Was ist Unterschied? Nur Erziehung. Als ich auf Landschule ging, lernten wir Liste ruhmreicher Dynastien auswendig. Ich habe fast alles vergessen, aber Liste kann ich immer noch herunterbeten: Xia, Shang, Zhou, Qin, Han, Jin, Sui, Tang, Song, Yuan, Ming, Qing, um nicht auf die Varianten einzutreten. Was bleibt von diesem Unterricht? Fast nichts. Und von diesen ruhmreichen Dynastien? Noch weniger. Alles hat seine Zeit, alles geht vorüber. Auf Sommer folgt Winter. In Barcelona nicht, aber auch Ausnahmen haben ihre Regel.»
Er seufzte, machte eine tiefe Pause und fuhr dann fort, den Blick im Leeren verloren, als führte er ein Gespräch mit seinen Vorfahren:
«Man hat uns gesagt: Nichts ist größer als Kaiser, denn Kaiser ist Sohn von Himmel. Da sie Leier so oft hörten, dachten einige: Es wird wohl stimmen. Andere dachten: Es wird eine Lüge sein. Wegen dieser Schlussfolgerungen kam Krieg. Dann langer Marsch und Rotes Buch. Sie sehen ja, wo uns das hingeführt hat. Dass wir uns den modernen Zeiten angepasst haben. Jahrhundertelang hatten wir Fremdherrschaft und hungerten uns Arsch ab. Jetzt haben wir Lektion gelernt, haben Chance genutzt und sind Herren von halber Welt geworden. War Sieg von Realismus über Phantasien, von Bescheidenheit über Arroganz. Westen ist in Krise, und Grund von Krise ist kein anderer als Arroganz. Schauen Sie Europa an. Aus Arroganz wollte es nicht mehr Einheit von miteinander in Krieg liegenden Provinzen sein, sondern großes Reich werden. Wechselte nationale Währungen in Euro, und da haben Dekadenz und Niedergang begonnen. Westler sind schlechte Mathematiker. Gute Juristen, gute Philosophen, logische Mentalität. Aber Zahlen sind nicht logisch. Logik ist moralischen Kriterien unterworfen: gut, schlecht, mittelmäßig. Zahlen dagegen sind nur Zahlen. Jetzt wissen Europäer nicht, wie viel Geld sie auf Bank haben oder wie viel Sachen kosten. Geben einfach aus, kommen in Schwierigkeiten und verlangen Kredit bei Caixa. Wir dagegen sind nicht logisch. Unsere Philosophie und unsere
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