Der Friseur und die Kanzlerin
Blutstauung im ehrwürdigen Antlitz jeweils beigefügt hat, wenn sie noch nicht zum Vollstreckungsverfahren geschritten sind, dann, weil sie nicht wissen, was sie mit den, gemäß ihrer eigenen Begutachtung, großen Schweinereien machen sollen, Gegenstand einer möglichen Pfändung.»
«Die Experten haben noch keine abschließende Meinung abgegeben», sagte ich.
«Bald werden sie es tun», erwiderte Señor Lin düster. Dann ließ er seine Stimme um eine oder zwei Oktaven ansteigen, um seinen Worten eine positivere Note zu verleihen, und fügte sogleich hinzu: «Aber das spielt keine Rolle. In Wirklichkeit stelle ich diese Betrachtungen nicht an, um Sie in Verwirrung zu stürzen, sondern als Präambel oder Einleitung zu dem Vorschlag, den ich Ihnen unterbreiten will und mit dem wir ganz sicher die Situation zu jedermanns Befriedigung lösen werden. Glauben Sie mir, dass mich zu diesem Schritt nur der Wunsch bewegt, Ihnen zu helfen, sowie die ganz natürliche Aversion eines ehrwürdigen Geschäftsmanns, dem Untergang eines großen Unternehmens beizuwohnen, das sämtliche Voraussetzungen auf sich vereinigte, ein blühendes zu sein. Sie sollen ebenfalls wissen, dass ich, bevor ich diesen Entschluss gefasst habe, meine ehrwürdige Gattin, meinen Sohn, obwohl er ein wenig unterbelichtet ist, und natürlich meinen ehrwürdigen Vater zu Rate gezogen habe, wie es mit den Vorfahren immer zu geschehen hat, auch wenn sie sich schon in einer vegetabilen Etappe befinden. Tee?»
«Wie belieben?»
«Ob Sie ein wenig Tee mögen?»
«Nein, danke. Ich möchte ohne weiteren Aufschub erfahren, welcher Natur Ihr Vorschlag ist.»
«Ach, jawohl. Verzeihen Sie meine bescheidene Art, große Geschäfte anzugehen. Östliche Rhetorik, zu subtil, ich gebe es zu. Oft weiß man nicht, wovon gesprochen wird, und schon ist man übers Ohr gehauen worden, wie Sun Tsu sagte. Mein ehrwürdiger Vorschlag birgt jedoch kein Geheimnis. Es geht, in wenigen Worten gesagt, darum, dass Sie uns Ihr großes Lokal übergeben. Sie könnten weiter wie bis jetzt darin arbeiten, aber das Geschäft müsste einer Veränderung unterzogen werden: Wir würden Ihren großen Damensalon schließen und ein bescheidenes Restaurant eröffnen. Meine ehrwürdige Gattin würde kochen, und Sie würden den vornehmen Teil übernehmen: die ehrwürdigen Gäste und die Tische bedienen, die Teller spülen und andere mit der ehrwürdigen Kunst der Gastronomie zusammenhängende Tätigkeiten ausüben. Sie würden einen bescheidenen Lohn bekommen, dazu die großen Trinkgelder, und Mittag- und Abendessen wären umsonst. Wir würden uns um die Umbauarbeiten, das Mobiliar, das Geschirr, das Besteck, die Gläser und die Vorräte kümmern. Und natürlich um die neue Inneneinrichtung. Dafür würden wir ohne Kosten für Sie die von Ihrem großen Unternehmen und Ihnen selbst bis zum Datum der Vertragsunterschrift gemachten ehrwürdigen Schulden tilgen.»
Er legte wieder eine Pause ein, fasste mein Schweigen offensichtlich als Zeichen der Zustimmung und nicht der Verdutztheit auf und fuhr fort:
«Wir wissen, dass das Lokal und das Unternehmen nicht auf Ihren, sondern auf den Namen Ihres ehrwürdigen Schwagers lauten. Dieser juristische Aspekt darf Sie nicht beunruhigen. Wir werden mit ihm sprechen und zu einer befriedigenden Einigung kommen. Erste Schritte in diesem Sinn haben wir bereits unternommen. Auch um den Papierkram werden wir uns kümmern. Leider werden wir das neue Unternehmen nicht auf Ihren ehrwürdigen Namen eintragen lassen können wegen Ihrer nicht weniger ehrwürdigen Vorstrafen. Aber Sie werden weiterhin die Seele des Geschäfts sein beziehungsweise, nach unserer Physiognomie, die Füße. Wir haben über den Namen des Restaurants nachgedacht. Mein ehrwürdiger Vater hat im Gedenken an die Ursprünge des Lokals den Namen Der haarige Pavillon vorgeschlagen, aber für die übrigen Familienmitglieder klang das nicht sehr gut. Mit größtem Vergnügen werden wir uns Ihre Vorschläge anhören. Die ehrwürdige Arbeitsuniform werden wir ebenfalls gemeinsam entwerfen. Wie lautet Ihre Antwort?»
Irgendetwas musste ich sagen, aber sosehr ich mir auch das Gehirn zermarterte, ich fand keine Worte und konnte daher nur gutturale Laute artikulieren. Mehrmals öffnete ich den Mund, und mehrmals klappte ich ihn wieder zu, außer beim letzten Mal. Da sie meine Verwirrung bemerkte, legte mir Señora Lin wieder die Hand auf den Unterarm und sagte sanft:
«Es ist ja ganz logisch, dass Sie auf
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