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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
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Feuchtigkeitszusatz zurückgekehrt, der die Luft stickig und die Transpiration üppig machte. Das Straßenpflaster war glitschig, und das Licht der Laternen bahnte sich einen Weg durch einen gelblichen Schleier. Aus diesen Gründen und nach der Schufterei der vorangegangenen Stunden gelangte ich völlig erschöpft an meinem Ziel an, und die Kleider klebten mir am Leib oder umgekehrt. Im Restaurant waren schon alle versammelt, und sie sahen noch elender aus als ich. Der Wolkenbruch hatte den Dandy Morgan und den Juli vollkommen durchnässt und ihre raffinierten Make-ups zerfließen lassen, so dass ihre Gesichter jetzt wie Archipele aussahen. Der leichter geschürzten Moski war es nicht besser ergangen. Als der Regenguss einsetzte, hatte sie das Kleid ausgezogen, um ihr Instrument einzuwickeln und so vor dem Wasser zu schützen, und im Unterrock im Eingang eines Mietshauses Zuflucht gesucht, wo sie der Pförtner barsch hinausgeworfen und ihr mit der Polizei gedroht hatte, falls es ihr in den Sinn komme, ihr Balg hier auszusetzen. Mit vergleichbarem Ergebnis war sie in mehrere Läden getreten, bis sie in einem überfüllten Internetcafé Unterschlupf gefunden hatte, wo Pakistaner ihren Landsleuten das Gewitter live übertrugen. Als Einziger heil davongekommen zu sein schien der dürre Bursche mit der dunklen Haut, dem wirren Haar, dem traurigen Blick und dem stets geöffneten Mund, den mir die Moski als den von ihr angeheuerten Pizzaboten vorstellte. Er hieß Mahnelik und kam aus einer Region des Subkontinents, deren Namen sich nicht aussprechen ließ.
    «Freunde und Genossen», hob ich an, «am heutigen Tag sind Dinge vorgefallen, die zwar nicht direkt mit unserem Fall zu tun haben, jedoch für mich entscheidend sind und daher aufgrund dieser auch für jenen. Welches jene sind, tut nichts zur Sache. Jedoch sehr wohl, dass ich ihretwegen, das heißt, wegen dieser und jener, die Dinge durch ein neues Prisma sehe, so dass ich nach langem Nachdenken beschlossen habe, die Ermittlungen einzustellen.»
    Es dauerte ein wenig, bis sie die Bedeutung, die Tragweite und vielleicht auch die Syntax meiner Ankündigung begriffen, und als es so weit war, waren sie verblüfft. Ich fühlte mich verpflichtet, ihnen zusätzliche Erklärungen zu geben, und tat es mit folgenden Worten:
    «Seit mehreren Tagen investieren wir Zeit, Energie und, in meinem speziellen Fall, Geld, um ein Geheimnis aufzuklären, das uns letzten Endes wenig angeht. Das sind in der heutigen Zeit Flausen, die wir uns gar nicht leisten können. Wir haben nichts erreicht, und bei mir ist das Geld flöten, die Freude futsch und die Lust den Bach runter. Zum Glück stehe ich kurz vor Abschluss eines Handelsabkommens, ja, man könnte sagen eines Unternehmenszusammenschlusses, aus dem ich Gewinn in Form einer Kommission zu erzielen hoffe. Kurzum, wenn ihr Geduld habt, zahle ich euch bis auf den letzten Euro aus.»
    Niemand sagte etwas. Die Mitteilung hatte sie überrumpelt, und die Ankündigung der Stundung hatte ihnen einen ordentlichen Dämpfer versetzt, wie ich ihren hin und her huschenden Blicken entnehmen konnte. Schließlich brach der Juli mit einem asthmatischen Hüsteln und einem zaghaften Protest das Schweigen.
    «Aber ich …», stotterte er, «aber ich …»
    Ermutigt durch die so bei seinen Kollegen geweckte Erwartung, strengte er sich an und sagte endlich in klagendem Ton:
    «Aber ich habe den Swami wieder gesehen!»
    «Mag ja sein», sagte ich, «aber was geht mich das an?»
    «Du hast mich nicht verstanden», insistierte der Juli. «Ich meine den anderen Swami, den mit dem Bart, den habe ich wieder gesehen. Und ich sage mir, wenn wir jetzt die Ermittlungen aufgeben, werden wir nie erfahren, wer es ist und was er im Yogazentrum treibt.»
    Letzteres war ebenso an mich gerichtet wie an die anderen, die seine Überlegung mit zustimmendem Gemurmel aufnahmen.
    «Der Juli hat recht», sagte die Moski. «Da ist noch zu vieles unklar. Und was sagst du dem Typen mit den Fotos? Heute Morgen hast du gesagt, du hast ihn herbestellt, und er muss jeden Augenblick kommen.»
    «Heute Morgen war heute Morgen, und jetzt ist jetzt», entgegnete ich. «Ich habe es euch schon gesagt: Es hat sich alles radikal und irreversibel geändert. Und wenn der mit den Fotos kommt, werde ich ihm sagen, er soll dahin gehen, wo der Pfeffer wächst, punctum.»
    Der Dandy Morgan ließ seine ernste, müde Stimme hören.
    «Und du?», fragte er. «Mit welcher Befugnis triffst du Entscheidungen,

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