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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
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einen so interessanten Vorschlag nicht antworten können, ohne in Ruhe darüber nachgedacht und sich die enorme Tragweite seines Inhalts bewusstgemacht zu haben. Das wissen wir ganz genau, und Vorsicht ist die Mutter der Porzellanvase und für uns die erste der Tugenden.»
    «Und die zweite, Eier zu haben», sagte der kleine Quim.
    Er steckte die entsprechende Dosis Kopfnüsse ein, ich nutzte dieses ergötzliche Zwischenspiel, murmelte eine Entschuldigung und stürzte aus dem Laden.
    Verwirrt und in Gedanken vertieft, bemerkte ich auf dem kurzen Weg vom Warenhaus zum Salon nicht, dass sich der Himmel, seit Wochen makellos blau, unversehens mit schwarzen, bedrohlich aufgeplusterten Wolken überzogen hatte, so dass ich die dicken Tropfen zuerst auf der Stirn und danach auf der Schulter wenige Meter vor meinem Ziel für eine Gabe der Tauben hielt, die in mir eine lustige Zielscheibe für ihre ungeformten Bedürfnisse sahen. Doch kaum hatte sich mein Geist diese Vorstellung zurechtgelegt, als ein Donner erdröhnte und ein so dichter, so heftiger Regenguss niederging, dass ich noch vor dem Erreichen des Unterschlupfs in zwei großen Schritten von Kopf bis Fuß durchnässt war, die Unterwäsche eingeschlossen. Hätte sich nicht dieses für die Jahreszeit typische atmosphärische Phänomen ereignet, ich wäre womöglich einfach am Salon vorbeigegangen und weitergelaufen, immer schneller, immer weiter und ohne zurückzublicken, ja ohne den Salon und all das, was er für mich bis einige Minuten zuvor bedeutet hatte, auch nur noch einmal anzuschielen. Doch der Selbsterhaltungstrieb des Körpers schwemmte mich sozusagen in den Raum hinein, und der Selbsterhaltungstrieb der Kleider ließ mich diese ausziehen, um sie vor dem Einlaufen zu bewahren. Insbesondere die Schuhe sahen übel aus und verhießen eine reiche Schimmelernte, so dass ich sie, so gut es ging, in der Trockenhaube unterbrachte, die ich in Gang setzte, bis mir sprühende Funken und ein starker Gestank nach verschmorten Kabeln nahelegten, die Operation wieder abzublasen. Inzwischen füllte sich der Raum immer mehr mit Wasser, teils wegen des Regens, der das Niveau des Bürgersteigs überstieg und in sprudelnden Wellen durch die Tür drang, teils wegen der Stauung in einem Gemeinschaftsfallrohr, an das ich vor langer Zeit das Becken angeschlossen hatte, in welchem ich den Kundinnen die Haare wusch, was ich so ungeschickt gemacht hatte, dass von da an, manchmal mit und manchmal ohne Grund, das Fäkalwasser heraussprudelte – zur großen Verärgerung der Kundin, die gerade den Kopf in Befeuchtung hatte. Ohne eine Sekunde zu verlieren, platzierte ich Kleider und Schuhe auf einer Konsole und begann, Wasser zu schöpfen. Da der Eimer am Boden und in den Wänden mehrere Spalten und Löcher aufwies, musste ich mich mit der Maniküreschüssel behelfen, um die dünnen Strahlen des Eimers aufzufangen, und so jonglierte ich die beiden Gefäße mehrmals zur Tür und goss das wenige in ihnen Verbliebene ins auswärtige Wildwasser. Woraus sich schließen lässt, dass ich mich nicht von der Überschwemmung befreit hätte, wenn das Gewitter nicht ebenso schnell geendet hätte, wie es begonnen hatte.
    Noch blitzte es draußen, und das Innere war eine vollendete Kloake, als Großvater Lin sein Ledergesicht hereinstreckte und trotz meinem abwehrenden Fuchteln eintreten wollte. In der einen Hand trug er einen offenen und einen zusammengeklappten Schirm und in der anderen eine Tasche.
    «Da Wetter wechselhaft ist», rief er von außen, «habe ich gedacht, ich bringe Ihnen Schirm, falls Sie Lokal verlassen müssen, und frische Wäsche, was unerlässlich ist, wie ich sehe, denn Sie sind so, wie Sie auf Welt gekommen sind. Ziehen Sie das an: Konkubinenkleid geblümt, hundertprozentig Nylon, vorher 29,95 Euro, jetzt nur 7,95 Euro.»
    Ich wandte Blick und Aufmerksamkeit vom Alten ab und setzte meine in jeder Hinsicht titanische Arbeit fort. Da er nicht verschwand, sagte ich nach einer Weile:
    «Wenn Sie gekommen sind, um das Lokal zu inspizieren, können Sie wieder umkehren und Ihren Verwandten erzählen, was Sie sehen. Vielleicht ändern sie dann ihre Meinung.»
    Ohne seinen unerforschlichen Ausdruck aufzugeben oder das Rückgrat aufzurichten, klappte der sanfte Greis den Schirm zu, trat über die Schwelle und versank mit den Füßen im Morast, nicht ohne mir vorher zu meiner Beruhigung gezeigt zu haben, dass er hohe grüne Gummistiefel mit Kätzchenbesatz trug.
    «Ich bin auf solche

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