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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
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die uns alle angehen, ja, in die wir verwickelt sind?»
    «Komische Frage!», sagte ich. «Ich habe euch angestellt. Ihr arbeitet für mich.»
    «Aha! Aber wenn du nicht zahlst, befiehlst du auch nicht mehr», sagte der Dandy Morgan triumphierend.
    Angezogen vom steigenden Lärmpegel der Diskussion, war Señor Armengol aus der Küche gekommen und fragte nach dem Grund für letztere. Um seine Neugier zu befriedigen, begannen alle durcheinanderzureden, sogar der Pizzatrottel. Schließlich rief die Moski:
    «Ruhe! Bei diesem Geschrei versteht man ja sein eigenes Wort nicht mehr! Ich schlage vor, zur Organisation und Methodologie der alten Zellenversammlungen zurückzukehren. Wir werden der Reihe nach zu Wort kommen, und Señor Armengol wird alles protokollieren. Wenn niemand dagegen stimmt, hat nach dem Anciennitätsprinzip Genosse Bielski das Wort.»
    Aller Blicke trafen sich auf dem Genannten, und ein respektvolles Schweigen trat ein, auf das dieser Blödmann mit Gebärden geheuchelter Bescheidenheit reagierte. Dann sagte er zu mir gewandt:
    «Da siehst du, was der einhellige Wille ist, frei geäußert. Die Botschaft ist klar: Die Leute weigern sich aufzugeben. Nimm es ihnen nicht übel. Das hat nichts mit Disziplinlosigkeit zu tun. Und noch weniger mit Eigeninteresse. Aus alledem werden wir wenig Nutzen ziehen, und wenn wir dabeibleiben, bezahlt jemand die Hartnäckigkeit wahrscheinlich sogar mit einem gebrochenen Knochen. Unsere Abenteuer enden immer so.»
    Das allgemeine Gemurmel bekräftigte diese Einleitung, und der Redner, dadurch ermutigt, setzte eitel seinen Vortrag fort.
    «Wenn wir den Bettel nicht hinschmeißen mögen, dann aus einem anderen Grund. Teils aus Ehrgefühl. Teils aus intellektueller Neugier. Vor allem aber, weil wir keine Söldner sind, nicht einmal Profis. Wir sind Künstler. Unsere Tätigkeiten stehen am Rande von Konjunkturen und Tendenzen, und wir geben uns unserer Arbeit hin, ohne Opfer, Stunden und Mühen zu scheuen, ohne uns von Hitze, Kälte und Regen einschüchtern zu lassen, selbst wenn es die Sintflut ist wie heute Nachmittag, denn wenn wir nicht so handelten, würden wir nicht nur unsere Arbeit verraten, sondern würden uns auch unserer moralischen, sozialen und ethischen Verantwortung entziehen. Wir arbeiten, weil die Welt uns braucht. Was würde aus der Welt ohne Künstler? Was würde aus Barcelona ohne seine lebenden Statuen?»
    «Gut gebrüllt, Löwe!», rief der Juli, der nicht mehr an sich halten konnte.
    Die Moski rief zur Ordnung. Mit offensichtlicher Rührung kam der Pizzabote zu Wort:
    «Ich bin neu in diesem Milieu, aber ich bitte Sie, mich nicht auszuschließen. Eine zerrüttete Familie, eine geringe oder gar keine Ausbildung und andere widrige Umstände haben mich dazu getrieben, einen ehrlichen Beruf zu ergreifen. Aber von meinem Denken und Wünschen her bin ich immer ein Windbeutel und ein Parasit wie Sie gewesen. Geben Sie mir eine Chance!»
    Die Anwesenden brachen in Hochrufe aus, und der Juli tätschelte ihm liebevoll die Schulter.
    «Nach all den Wortmeldungen», sagte der Dandy Morgan, «ist die Schlussfolgerung klar: Wir werden weitermachen wie bisher. Wenn du uns nicht bezahlen kannst, wirst du uns später bezahlen. An meinem neuen Standort wird man nicht reich, aber ab und zu fällt mal ein Euro ab. Und bei den anderen ebenso.»
    «Und ich?», sagte Señor Armengol. «Ich muss den Rohstoff kaufen, die Miete fürs Lokal bezahlen, Gas und Strom, die Steuern …»
    «Das wirst du weiterzahlen, ob wir kommen oder nicht», herrschte ihn der Dandy Morgan an.
    «Und wegen dem Essen gibt’s keinen Grund zur Sorge», sagte der Pizzabote euphorisch. «Jetzt zum Beispiel habe ich mehrere Pizzas auf dem Motorrad. Sie sind wahrscheinlich ein wenig kalt, aber man kann sie in der Mikrowelle aufwärmen. Und meinetwegen machen Sie sich keine Gedanken. Bei dem Durcheinander, das wir in der Zustellung haben, werden sie bis zum Ende des Monats nichts merken.»
    Dem Wort ließ er die Tat folgen, stand auf und ging unter stürmischen Ovationen hinaus.
    «Ich habe den Eindruck», sagte die Moski, offensichtlich gerührt von der Ansprache des vermeintlichen Genossen Bielski und der Reaktion ihres Schützlings, «es wird sehr bald etwas Wichtiges geschehen. Bis jetzt haben wir korrekt, aber routiniert gearbeitet, aber von heute Abend an werden wir alle Herzen ausspielen.»
    Sie hatte noch nicht ausgeredet, als der Pizzabote mit zwei großen quadratischen, berauschend duftenden

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