Der Friseur und die Kanzlerin
Überlegungen anstellte, erschien wie vom Schicksal gerufen Mahnelik mit einer Pizzaschachtel. Ebenfalls beunruhigt wegen unseres langen Ausbleibens, war er heraufgekommen, um nachzusehen, ob alles in Ordnung sei. Ich bedankte mich dafür, und er zuckte die Achseln.
«Sie sind mir scheißegal», sagte er, «aber das Mädchen ist klasse. Zudem bin ich mit der Pizzaschachtel vor jeder Eventualität geschützt – wenn sie mich schnappen, sage ich, ich mache eine Delivery. Und diese Leiche?»
«Niemand, den du kennst. Halt den Schnabel und hilf uns», sagte ich kurz angebunden.
Zu dritt packten wir den Swami. Mahnelik war nervös, weil er sich vorübergehend von seiner Schachtel hatte trennen müssen und sich ungeschützt fühlte. Bevor wir das Zentrum verließen, öffnete ich die Tür, spähte hinaus, und aus der Stille und der Dunkelheit schloss ich, dass die Luft rein war. Wir gingen auf den Treppenabsatz hinaus. Hinter uns warf der Luftzug die Tür zu. Wieder aufzumachen, um das Licht auszuknipsen, die Pizzaschachtel zu holen und überhaupt die Spuren unserer Anwesenheit zu tilgen, hätte zu lange gedauert und wäre riskant gewesen. Und unmöglich dazu, denn auf einmal machte jemand im Treppenhaus das Licht an. Wir blieben reglos stehen und hielten den Atem an. Nichts von unserer Anwesenheit ahnend, stieg müden Schrittes und schwer atmend der lange Schatten eines korpulenten Mannes mit langem Bart und langen Haaren herauf, in der Hand etwas, was wie eine schreckliche Waffe aussah, vielleicht ein tödlicher Kris, vielleicht auch nur ein Schirm.
«Verdammter Mist!», presste ich heraus. «Das ist ja ein regelrechtes Swamidefilee. Schnell, einen Stock höher!»
Wir stiegen so rasch hinauf, wie es uns die Leiche erlaubte. Auf dem Absatz des vierten Stocks blieben wir keuchend stehen. Dort hörten wir, wie sich die Tür des Yogazentrums öffnete und wieder schloss. Sofort stürzten wir treppab, schlichen an der Tür des Yogazentrums vorbei und setzten unsere Flucht fort, ohne auch nur einmal stehenzubleiben. Als wir im zweiten Stock angelangt waren, ging die Tür des Zentrums wieder auf, und eine Stentorstimme rief:
«Halt! Diebe! Entführer!»
Sosehr wir auch liefen, es war weder leicht noch effizient, die Bewegungen von vier Personen zu koordinieren, vor allem, wenn eine davon leblos war und von den anderen drei getragen werden musste: Bald stolperte einer, bald prallte der Kopf des Swami an die Stangen des Treppengeländers, bald blieben wir stecken, wenn wir in dem engen Treppenhaus die Wende zu nehmen versuchten. Die Verfolgung hätte bald ein böses Ende genommen, wenn nicht plötzlich das laute Akkordeon der Moski in die relative Stille der Nacht gedrungen wäre. Alarmiert durch die ersten Takte der vermeintlichen Internationale , traten mehrere Nachbarn in ihre Wohnungstür, samt und sonders nicht immer der Mode, Eleganz und Schicklichkeit entsprechend für die Nacht gewandet. Angesichts dieses Auflaufs wich unser Verfolger zurück, zweifellos weil er nicht gesehen werden wollte, und so konnten wir uns im Hauseingang zur Moski gesellen, die weiter den Balg betätigte, und traten dann selbviert mit unserer Trophäe auf den Schultern auf die Straße hinaus.
Aber es regnete.
Unter diesen Umständen war es doppelt mühselig, einen Menschen in der Blüte seiner Entwicklung zu tragen. Nur Mahnelik, Quesito und ich konnten uns diese Arbeit teilen, denn die Moski hatte schon das Akkordeon, das sie zudem vor dem Regen schützen musste. Wäre der Swami zur Besinnung gekommen, so hätte er uns zwar von seinem Gewicht befreit, doch da er in der Hitze des Gefechts Schuhe und Socken verloren hatte, war sehr zu bezweifeln, ob er die Füße auf eine zum Sturzbach gewordene Straße hätte setzen wollen. Also schleppten wir ihn weiter, obwohl der Anblick von drei Personen, die um Mitternacht im strömenden Regen und in Gesellschaft einer Akkordeonistin den leblosen Körper einer vierten trugen, der Polizei oder einem schlichten Bürger hätte auffallen können, der diese benachrichtigen konnte. Und unsere Kräfte verließen uns zusehends. Glücklicherweise war der einzige Zeuge der ganzen Widrigkeiten ein Buckliger, der, den Kopf vor dem Regen mit einem Karton schützend, die Straße überquerte, direkt auf uns zukam und keuchend seinem schlechten Gewissen Ausdruck gab, weil er uns auf dem, wie er mit oder ohne Grund fand, in seine Zuständigkeit fallenden Gebiet im Stich gelassen hatte. Wenig körperliche Hilfe hatte
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