Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
Vom Netzwerk:
Störung Ausschau, die ihnen den Tag verdürbe, aber da das Wetter einmal mehr nicht meinen Wünschen zu entsprechen verhieß, trat ich wieder in den Salon hinein, um in Ruhe Mutmaßungen anzustellen.
    Die Stille hielt nicht lange an, denn nach kurzer Zeit stürmte hoheitsvoll und streitsüchtig Unterinspektorin Victoria Arrozales in den Salon. Das war ärgerlich und konnte meine Pläne aufs schwerste behindern, bestätigte mir aber auch die Richtigkeit meiner Prognose, wie sich die Dinge entwickeln würden. Wie bei ihren vorangegangenen Besuchen deponierte sie die Pistole als Beglaubigungsschreiben auf der Ablage und machte sich auf dem Stuhl breit, die Beine von sich gestreckt und die Arme seitlich hinabhängend, und inszenierte so die Lässigkeit und Nachlässigkeit von jemandem, der sich Herr der Lage weiß. So verharrte sie eine Weile, während sie verächtlich den Blick durch den Raum schweifen ließ.
    «Kennst du», sagte sie schließlich, «einen Typen namens Juan Nepomuceno, derzeit Angestellter in einem Hotel an der Costa Brava, obwohl er sich der Identität eines Landsmanns namens Jesusero bedient?»
    Ich tat, als würde ich mein immenses Adressenverzeichnis geistig Revue passieren lassen, und sagte dann:
    «Also so im Moment, mit so wenig Angaben, da kann ich nicht …»
    «Das habe ich vermutet, vor allem, weil ich weiß, dass du dich vorgestern mit ihm unterhalten hast.»
    «Kann, wer das behauptet, die Behauptung auf schlüssige Beweise stützen?»
    «Das ist unwichtig. Ich bin aus einem anderen Grund gekommen. Sag mir, was du ausheckst, und wenn mir die Story gefällt, kommst du vielleicht mit einem blauen Auge davon.»
    «Ich hecke gar nichts aus. Und jeder Angeklagte hat das Recht, die Straftat zu kennen, deren er beschuldigt wird. Das steht so in der Verfassung.»
    «Es steht nicht in der Verfassung, aber ich lasse es dich wissen: Juan Nepomuceno ist verschwunden.»
    «Ich beharre darauf, die Tatsachen nicht zu kennen, aber ich weiß mit Sicherheit, dass der Betreffende gestern seinen freien Tag hatte. Vielleicht hat er sich verspätet.»
    «Seine ganzen Habseligkeiten sind mit ihm verschwunden, ebenso die Kassette mit den Trinkgeldern der Hotelkellner. Wenn sie ihn erwischen, reißen sie ihn in Stücke. Man vermutet, er sei geflohen, weil er jemandes Vertrauen missbraucht und ein Geheimnis verraten habe. Luxushotels sind sehr auf die Privatsphäre ihrer Gäste bedacht. Und noch mehr, wenn ein wichtiger Filmproduzent aus Hollywood sie aufsucht wie der, der vorgestern dort war und Stunk gemacht hat.»
    Sie legte eine lange Pause ein, als habe sie unversehens den Grund ihres Besuches vergessen und denke an etwas anderes; dann stand sie brüsk auf und verwahrte die Waffe an ihrem gewohnten Ort.
    «Wenn man dich noch nicht verhaftet hat», sagte sie, «dann nicht aus Nachlässigkeit oder Lustlosigkeit, sondern weil ich Aufschub verlangt habe. Du nützt mir mehr, wenn du dich frei bewegst, als wenn du hinter Gittern sitzt. Natürlich kann ich jederzeit meine Meinung ändern, und dann wird man dich für immer ins Kittchen stecken, niemand wird das bedauern, niemand wird dich besuchen, du wirst verfaulen und sterben, und man wird dich kopfüber in ein Massengrab werfen. Du hast Zeit bis morgen Vormittag. Wenn du dich an etwas erinnerst, was deinen Freund Juan Nepomuceno betrifft, dann ruf mich an, und wir unterhalten uns.»
    Mit dieser Warnung ging sie. Einmal mehr war ich versucht, ihr nachzulaufen und zu erzählen, was ich wusste. Einmal mehr beherrschte ich mich, da ich wusste, dass die Zeit ablief und dass, wenn sich mein Plan in der Praxis nicht als so gut erwies, wie er mir gegenwärtig, so in der Luft hängend, zu sein schien, Romulus der Schöne durch nichts davor bewahrt würde, ins Gefängnis zu gehen, noch ich, denselben Ort mit ihm zu teilen. Mit diesen Gedanken ließ ich die Unterinspektorin ziehen und konzentrierte mich wieder auf die Vorbereitungen für die Operation des folgenden Tages. Es fehlte mir ein wichtiges Element, für das ich Geld brauchte. Einmal mehr ging es mir gegen den Strich, Señor Lin darum zu bitten, aber unter diesen Umständen durfte ich mich nicht zieren und beschloss, ihn anzusprechen, sobald er vom Strand zurückkäme.
    Die Sonne ging unter, als das Auto des Swami vor dem Salon hielt, er sehr ärgerlich ausstieg und einen Bericht vom Stapel ließ, der umso wirrer war, als er ihn mit Flüchen gegen Götter würzte, deren Namen ich noch nie gehört hatte. Endlich

Weitere Kostenlose Bücher