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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
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eines renommierten Chinarestaurants, Eröffnung demnächst. Und dann war da Quesito. Ganz offensichtlich war Romulus’ des Schönen Vaterfigur in Quesitos formbarer Liebesfähigkeit immer weniger präsent und wurde von einer strahlenderen, beständigeren überschattet. In meinem Alter macht man sich nicht mehr viel Illusionen, verzichtet aber auch nicht auf die schönen Dinge des Lebens, vor allem wenn man sie nie gehabt hat.
    In diese verzwackte existentielle Alternative versunken, schlief ich tief ein.

13
ABENTEUER IN DER LUFT
    Der Tagesanbruch beleuchtete mich auf dem Bürgersteig vor meinem Haus. Erleichtert betrachtete ich den heiteren Himmel und nahm den mäßigen Wind wahr – offensichtlich keine Hindernisse für den Luftverkehr. Nach einer Weile fuhr der Swami in seinem Auto vor. Er kam vom Flughafen und entschuldigte sich für die leichte Verspätung mit dem Hinweis, er habe noch vollgetankt, und an der Tankstelle sei er auf die Idee gekommen, den Wagen durch die Waschstraße zu schicken, damit er auch schön glänze, wo es die Umstände doch so erforderten. Zuvor hatte er den Juli und Quesito am Flughafen abgesetzt, den Juli als lebende Statue, damit er von seinem Podest aus die Vorgänge im Terminal im Blick behalte, und die Quesito strategisch in einem Café platziert, wo sie beim Durchblättern einer Zeitschrift zu frühstücken vorgab, in Wirklichkeit aber bereit war, jederzeit Bericht zu erstatten, wenn der Juli es ihr mit einem vorher vereinbarten Zeichencode zu verstehen gäbe.
    Wir holten den Dandy Morgan ab, der schon in Zivilkleidung am vereinbarten Ort stand und ein dickes Bündel bei sich hatte, das er in den Kofferraum des Peugeot 206 stopfte. Hingegen musste man mehrmals klingeln, bis Cándida herunterkam, und als sie endlich erschien, war sie sehr verstört. Um ihrer Nervosität Herrin zu werden, hatte sie mehrere Liter Pfefferminztee getrunken und musste jetzt, wie sie sich bescheiden ausdrückte, ununterbrochen ihr kleines Geschäft verrichten. Im Auto auf der Rückbank neben dem Dandy Morgan sitzend, gab sie ihrer Angst Ausdruck, im heikelsten Moment ihres Auftritts wieder dieses unaufschiebbare Bedürfnis zu verspüren.
    «Mach dir deswegen keine Sorgen», sagte ich und versuchte, um ihren bereits verwirrten Zustand nicht noch zu verschlimmern, die Gereiztheit zu verbergen, die ihre angeborene Dämlichkeit in mir auslöste. «Denk daran, dass du eine hochbedeutende Frau zu ersetzen hast, deren Anordnungen keinen Widerspruch dulden. Wo du auch bist, wenn du den Drang verspürst, dein kleines Geschäft zu verrichten oder sogar dein großes, gehst du in eine Ecke und erledigst in aller Gelassenheit, was du zu erledigen hast. Vergiss nicht, dir nachher die Hände zu waschen. Die Person, die du ersetzt, besitzt Autorität, aber auch Klasse.»
    Diese Differenzierung beleidigte Cándida. Anstatt mir zu antworten, sagte sie zu ihrem Sitznachbarn:
    «Hören Sie nicht auf ihn. Wenn ich von etwas mehr als genug habe, abgesehen von den Jahren und den Kilos, dann ist es Klasse. Ich bin zwar nicht auf eine dieser piekfeinen Schulen gegangen, aber bei der Arbeit auf der Straße habe ich mit der Creme der Gesellschaft verkehrt. Ich brauche bloß zu erwähnen, dass ich einmal die Ehre hatte, dem Erzbischof von Tudela einen runterzuholen! Er war in Zivil, logo, aber beim Abschied hat er mir seine Identität verraten und mich statt schnöde in bar mit einem Skapulier bezahlt, das ich immer an den Unterrock geheftet habe. Das erzähle ich Ihnen nicht, um mich wichtig zu machen, sondern damit Sie eine Vorstellung haben, Señor Morgan.»
    «Du darfst mich Dandy nennen, meine Hübsche», sagte dieser, den weder seine Altersbeschwerden noch die Schicksalsschläge seine alten Berufsbetrügertricks hatten vergessen lassen.
    In solche Gespräche versunken, trafen wir bei flüssigem Verkehr zur vorgesehenen Zeit und etwas ruhiger geworden auf dem Flughafen ein.
    Vor einer der großen Drehtüren des Terminals stiegen der Dandy Morgan, Cándida und ich aus und zogen das Bündel aus dem Kofferraum, und der Swami fuhr zum Parkhaus weiter. Als wir die Halle des Terminals betraten, zeigten die Uhren 08:04 Uhr. Der Juli stand noch auf seinem Sockel, und sowie Quesito uns kommen sah, hielt sie sich die rechte Hand ans linke Ohr, um uns mit dieser Geste zu verstehen zu geben, dass bisher nichts Ungewöhnliches oder dem Plan Zuwiderlaufendes geschehen sei. Ruhigen Schrittes gingen wir auf die Toiletten zu, die sich am

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