Der Fromme Dieb
auf das leichte Plätschern des Wassers, das an die Säulen schlug.
Rémys Diener Bénezet, in kniehohen Stiefeln und mit Regenschutz, ging als letzter.
Die Fuhrleute aus Longner und ihr Begleiter kehrten zu ihrem Wagen zurück, um das Bauholz weiter umzuladen, der Schäfer aus Preston aber wurde von der Hand eines zierlichen Bruders, dessen Gesicht unter der Kapuze verborgen war, festgehalten.
»Freund, da ist noch etwas, das nach Ramsey verladen werden muß. Kommt und seid mir dabei behilflich.«
Bis auf die Altarlichter waren alle Kerzen niedergebrannt. Der Schäfer ließ sich von der Hand leiten und tastete sich an einen langen, schmalen Gegenstand heran, der sorgfältig in Wolldecken gewickelt war. Sie hoben ihn, eine leichte Last für zwei Männer, gemeinsam auf. Als sie sich aufrichteten, warf das einsame Altarlicht seinen gelblichen Schein unter die Benediktiner-Kapuze und streifte flüchtig ein ernstes, ebenmäßiges Gesicht, bevor es im Luftzug der Sakristeitür verlosch. Gemeinsam trugen sie ihre Last zwischen den Grabstätten der Äbte hindurch zu der Stelle, wo der Wagen nach Ramsey hinter dem schweren Doppeltor wartete. Die beiden Männer von Longner waren auf ihrem eigenen Wagen damit beschäftigt, die Stämme zum hinteren Teil zu tragen, um sie leichter herunterheben zu können. Und über allem lag die Dämmerung, angefüllt mit feuchtem Nebel. Der umwickelte Gegenstand wurde nach oben gehievt und sorgsam zwischen dem schon geladenen Holz abgelegt. Unterdessen hatte der junge Bruder sich aufgerichtet, seine Hände vom Schmutz befreit und sich befriedigt zum offenen Tor begeben. Die beiden Fuhrleute hatten eine weitere Ladung Bauholz auf den Wagen getragen und waren dabei, die nächste zu holen. Die letzte Falte der Umhüllung, ein flüchtiges Glitzern der Goldstickerei, ausgefranst und fadenscheinig, verschwand unter dem Rest des Bauholzes von Longner.
Irgendwo vom Friedhof her, aus dem Schatten der Kirche, rief eine helle Stimme ihnen Dankes- und Segenswünsche und ein herzliches »Gute Nacht« zu.
3. Kapitel
Am Morgen, direkt nach dem Hochamt, machte sich der geborgte Wagen auf den Weg nach Ramsey. Die Truhe vom Altar war Nicol anvertraut worden, und da einer seiner Gefährten mit Herluin nach Worcester weiterreisen sollte, war jener um so dankbarer, bis nach Ramsey von den drei kräftigen arbeitswilligen Handwerkern begleitet zu werden, die einen gewissen Schutz für die mitgeführten Wertgegenstände gewährleisteten. Das Bauholz war sicher verkeilt, die vier Zugpferde hatten die Nacht im trockenen Stall am Pferdemarkt zugebracht und waren bereit zum Aufbruch.
Ihr Weg führte ostwärts über Saint Giles, und wenn sie erst einmal die überschwemmten Wiesen und die Brücke von Atcham hinter sich gelassen hätten, würden sie sich auf gut befestigten und belebteren Straßen von dem derzeit so gefährlichen Fluß entfernen. Und in Anbetracht der Tatsache, daß sich die Mörderbanden von Geoffrey de Mandeville zerstreut hatten, um ihr Unwesen in kleineren Gruppen zu treiben, würde Nicol, sobald er seinem Ziel näherkam, vielleicht gern auf die Hilfe der drei zähen und kräftigen Shropshire-Burschen zurückgreifen.
Der Wagen holperte an der Abteivorstadt vorbei. Sie würden mehrere Tage unterwegs sein, aber wenigstens querten sie Regionen, die weit entfernt von den walisischen Bergen lagen, welche nach den heftigen Schneefällen des letzten Winters solche Mengen von Schmelzwasser ins Flachland herabgesandt hatten.
Etwa eine Stunde nach ihrem Aufbruch, machte sich auch Subprior Herluin, begleitet von Tutilo und dem dritten Laiendiener, auf den Weg, um in Saint Giles die südöstliche Richtung einzuschlagen. Offenbar war Herluin nie der Gedanke gekommen, daß die Flut, die er hier dankbaren Herzens hinter sich zu lassen glaubte, stromabwärts Schritt mit ihm halten und ihn bei Worcester triumphierend einholen könnte. Die Geschwindigkeit des Flutwassers war in manchen Jahren unberechenbar: Es konnte ihn, wenn er die tiefer gelegenen Wiesen unterhalb der Stadt erreicht hätte, sogar schon überholt haben.
Rémy de Pertuis dagegen machte keine Anstalten abzureisen. Selbst die unteren Räumlichkeiten des Gästehauses waren trocken geblieben, da sie auf einem tiefen unterirdischen Gewölbe errichtet worden und über eine solide Steintreppe zu erreichen waren, so daß er seine Heiserkeit in einigermaßen warmer und behaglicher Umgebung kurieren konnte. Sein bestes Pferd, sein eigenes Reitpferd,
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