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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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hatte.
    Cadfael verzichtete auf sein Mittagessen, und während alle anderen, auch die Gäste, sich in Eile stärkten, ging er in die Kirche und kniete, wie er es bisweilen tat, still vor ihrem Altar, zu überwältigt von Erinnerungen, um beten zu können, obwohl dennoch ein Dialog zwischen ihnen stattzufinden schien. Wenn ihn unter den Heiligen eine gütige Seele durch und durch kannte, so war es Winifred, sein junges walisisches Mädchen, das sich keineswegs hier befand, sondern sicher und zufrieden in ihrer walisischen Erde in Gwytherin ruhte. Niemand wußte das, nur die Heilige selbst und ihr ergebener Diener Cadfael, der ihre Ruhestätte dort eingerichtet, und Hugh Beringar, den er später in sein Geheimnis eingeweiht hatte. Hier in England wußte sonst niemand davon. In ihrem Wales aber, in ihrem Gwytherin war es kein Geheimnis, sondern ein Fundament walisischen Glaubens, das keiner Erwähnung bedurfte. Sie weilte immer noch unter ihnen, alles war gut.
    Und so war es nicht ihre Ruhe, die jetzt bedroht war, sondern nur der unbehagliche Schlaf eines ehrgeizigen, wankelmütigen jungen Mannes, der wegen seiner irregeleiteten Träume, aus Gier zugunsten der Abtei von Shrewsbury und Gier nach eigenem Ruhm, einen Mord begangen hatte. Durch den Tod dieses Mannes war es Winifred möglich gewesen, auf heimatlichem Boden zu bleiben, den sie liebte, an dem ihr Herz hing. Das wenigstens konnte ihm bei seinem Vergehen als mildernder Umstand zugebilligt werden. Denn sie hatte ihren Segen nicht zurückgezogen, weil ein Sünder in dem für sie bestimmten Sarg lag und unter ihrem Namen beerdigt wurde.
    Dort wo er, nicht wo sie lag, hatte sie göttliche Wunder vollbracht.
    »Geneth… Cariad!« murmelte er. »Mädchen, liebes Mädchen, ist er lange genug im Fegefeuer gewesen? Wirst du ihn gar aus seinem Morast herausziehen?«
    Im Laufe des Nachmittags schien der Anstieg des Baches und des Flusses sich zu verlangsamen, obwohl das Wasser keineswegs schon zurückging. Man hoffte bereits, die Gefahr sei gebannt. Am späten Abend indes tosten die Hauptfluten aus dem walisischen Hochland heran, in einem Gewirr aus Schaum, abgerissenen Ästen und nicht wenigen Kadavern von Schafen, deren Weideland zu niedrig gelegen hatte, um ihnen Schutz zu bieten. Entwurzelte Bäume blieben unter der Brücke stecken und stauten die Fluten noch höher an. Jede Seele im Kloster legte eifrig Hand an, um das wertvolle Mobiliar an höhere Orte zu befördern, während das Wasser von Fluß, Bach und Teich gierig in alle tiefen Teile des Klosterareals und des Friedhofs vordrang, bereits die Stufen des West- und des Südportals bedeckte und den Hof des Kreuzgangs in einen Schlammsee verwandelte.
    Die Gewänder, die Möbel, die Kreuze, alle Kostbarkeiten wurden in die beiden Räume über dem Nordportal getragen, wo Cynric, der Küster, wohnte und Vater Boniface immer seinen Ornat anlegte. Die Schreine mit den kleineren Reliquien wurden durch die Friedhofstore zum Speicher über der Pferdemarktscheune gebracht. Ein Tag, der nie richtig hell gewesen war, ging rasch in düstere Dämmerung über, und ein hartnäckiger Nieselregen heftete sich an Augen und Lippen, um das allgemeine Unbehagen noch zu steigern.
    Zwei Fuhrleute aus Longner hatten die versprochene Ladung Holz für den Wiederaufbau herbeigeschafft und damit begonnen, sie für die Reise nach Ramsey in das größere Fuhrwerk umzuladen. Die Truhe mit den Spenden der Bürger von Shrewsbury stand noch auf dem Altar der Marienkapelle, der Schlüssel im Schloß, und bereit, am nächsten Tag zur sicheren Weiterbeförderung dem Diener Nicol übergeben zu werden. Der Altar war hoch genug gelegen, um jeder Flut standzuhalten, es sei denn, sie nähme biblische Ausmaße an.
    Die Fuhrleute von Longner hatten eine willige Hilfskraft mitgebracht, einen Schäfer aus dem benachbarten Weiler Preston. Doch die drei hatten kaum mit dem Umladen begonnen, als sie auch schon von Bruder Richard fortgezerrt wurden, um bei der Rettung verschiedener bedrohter Schätze der Abtei zu helfen, sie aus der Kirche zu tragen oder an einen sicheren Platz im Innern zu schaffen. Alle Brüder und Gäste waren an diesen Bergungsarbeiten beteiligt, die sich durch die einbrechende Dunkelheit recht verwirrend gestalteten.
    Etwa eine Stunde später war das Nötigste getan, und die Gäste begannen sich in höhere und trockenere Gefilde zurückzuziehen, ehe ihnen das steigende Wasser bis an die Knie reichen konnte. Im Kirchenschiff wurde es still bis

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