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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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schaulustige Novizen, die von Bruder Paul mit ungewohnter Schärfe fortgejagt wurden.
    »Wer ist als letzter mit ihr in Berührung gewesen?« kam die nüchterne Frage von Bruder Cadfael. »Irgendwer… und es war mehr als einer… hat sie in Cynrics Wohnung getragen…
    Jemand von euch hier?«
    Bruder Rhun schob sich durch die Mauer der neugierigen und angsterfüllten Brüder. Er war der jüngste unter ihnen, der besondere Schützling der Heiligen und, wie jedermann wußte, ihr glühendster Verehrer und Diener.
    »Ich habe sie zusammen mit Bruder Urien sorgsam eingewickelt. Betrüblicherweise aber war ich nicht zugegen, als sie von ihrem Altar fortgetragen wurde.«
    Eine hochgewachsene Gestalt, die die Köpfe der umstehenden Brüder überragte, reckte den Hals, um in Erfahrung zu bringen, was den Tumult verursacht hatte.
    »Handelt es sich um den Gegenstand, der vom Altar fortgetragen wurde?« fragte Bénezet und drängte sich vor, um besser sehen zu können. »Der Reliquienschrein, der Sarg der Heiligen? Aber was…? Ich habe doch geholfen, sie in die Räume des Küsters zu tragen. Das war ungefähr das letzte, was wir geborgen haben. Ich war hier, um zu helfen, und einer der Brüder – Bruder Matthew wurde er gerufen – bat mich, ihm zur Hand zu gehen. Und so geschah es. Wir haben sie gemeinsam die Treppe hinaufgetragen und sicher untergebracht.« Er ließ suchend den Blick schweifen, aber Bruder Matthew, der Kellermeister, war nicht zugegen, um Bénezets Worte zu bestätigen. »Er wird Euch nichts anderes sagen«, fügte er zuversichtlich hinzu. »Aber das hier – ein Stück Holz? War es das, was wir so übervorsichtig in die Wohnung des Küsters geschafft haben?«
    »Seht Euch die Decke an«, sagte Bruder Cadfael und breitete sie vor den Augen des Mannes aus. »Die äußere Umhüllung, schaut sie Euch genau an. Habt Ihr sie deutlich gesehen, als Ihr den vermeintlichen Schrein in Händen hieltet?
    Ist dies hier dieselbe?« Zufällig war es eine walisische Decke mit einem regelmäßigen Muster aus einfachen vierblättrigen Blüten in mattem Blau; viele Decken dieser Art kamen über den Markt von Shrewsbury in englische Haushalte. Sie war an einigen Stellen abgewetzt, ansonsten indes von festem, schwerem Gewebe und an den Rändern mit Flachs eingefaßt.
    »Dieselbe«, antwortete Bénezet ohne Zögern.
    »Seid Ihr ganz sicher? Es war, wie Ihr sagtet, später Abend.
    War der Altar noch erleuchtet?«
    »Ich bin mir sicher.« Bénezets Lippen äußerten die Gewißheit mit der Schnelligkeit eines abgeschossenen Pfeils.
    »Ich sah das Gewebe ganz genau. Dies hier haben wir an jenem Abend aufgehoben und fortgetragen. Wer hätte ahnen können, was sich darin befand?«
    Bruder Rhun gab einen leisen, bekümmerten Laut von sich, mehr ein Schluchzen als ein Schrei, trat fast ängstlich vor, um die Decke zu befühlen, und wollte seinen Augen nicht trauen, so jung, klar und zuverlässig sie sonst auch waren.
    »Aber es ist nicht die Decke«, flüsterte er fast unhörbar, »in die Bruder Urien und ich Winifred am Vormittag eingehüllt haben. Wir ließen sie, in eine einfache Decke gewickelt und ein altes ausgefranstes Altartuch über sie ausgebreitet, zurück.
    Bruder Richard meinte, es würde ihrer Heiligkeit Genüge tun.
    Es war ein wunderschönes Tuch, das mit viel Liebe bestickt worden war. Darin war sie eingehüllt. Aber das hier ist keineswegs dasselbe. Was dieser gute Mann von hier aus zu dem erhöhten Platz trug, der für die Verwahrung der heiligen Winifred bestimmt war, war nicht der Schrein, sondern dieser Klotz, dieses Blendwerk. Vater Prior, wo ist nur unsere Heilige?
    Was kann nur mit der heiligen Winifred geschehen sein?«
    Prior Robert ließ einen gebieterischen Blick durch den Raum schweifen, über den lächerlichen, jetzt enthüllten Gegenstand und die gramerfüllten Brüder hinweg bis zu dem anklagenden jungen Novizen, der vor Eifer und Empörung weiß glühte wie eine Kerzenflamme und nicht ruhen und auch seinen Vorgesetzten keine Ruhe gönnen würde, bis die heilige Winifred gefunden war.
    »Laßt alles so, wie es jetzt ist«, sprach Prior Robert im Befehlston, »und entfernt euch. Kein Wort soll gesprochen und nichts unternommen werden, bis Vater Abt von diesem Vorfall unterrichtet wurde, denn in seiner Gewalt liegt es, eine Entscheidung zu fällen.«
    »Ein bloßer Irrtum kann es auf keinen Fall sein«, sagte Cadfael an diesem Abend im Empfangszimmer des Abtes.
    »Bruder Matthew und auch dieser Bénezet

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