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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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bewußtlosen Mann fand, sich zu ihm hinabbeugte, ihn erkannte, denn jetzt wäre er noch zu erkennen gewesen, ihn umbrachte und erst dann überlegte, wie er sich von dem Verdacht befreien konnte, um daraufhin zu mir in die Stadt zu rennen.«
    »Keiner von beiden erweckt den Eindruck, als könnte er den Schädel eines bewußtlosen Mannes mit einem Stein zertrümmern«, sagte der Graf nachdenklich. »Doch wer weiß, wozu ein Mensch im äußersten Fall fähig ist? Aber dann auch noch so geistesgegenwärtig zu sein, den Stein wieder an die richtige Stelle zurückzulegen und alle Spuren zu verwischen – das würden die meis ten von uns wohl nicht fertigbringen. Da nun beide hinter Schloß und Riegel sind, ist keine Eile erforderlich.«
    »Da ist noch die Frage der Tatzeit«, sagte Cadfael. »Du hast mir erzählt, Hugh, jener Mann des Priesters von Upton habe berichtet, wann er in Preston von Aldhelm Abschied genommen hat, bevor dieser dann weiter zur Fähre gelaufen ist.«
    »Gegen sechs haben sie sich getrennt«, sagte Hugh. »Von dort, die Fahrt mit der Fähre eingeschlossen, bis zum Tatort ist es höchstens eine halbe Stunde. Der Fährmann ist der gleichen Meinung. Spätestens gegen halb sieben erreichte Aldhelm also den Ort, wo er ermordet wurde. Und wenn du mir eindeutig sagen kannst, wo Tutilo bis zu dieser Stunde gesteckt hat, dann können wir ihn getrost von der Liste der Verdächtigen streichen.«

11. Kapitel
    Bisher hatte ich kaum Gelegenheit, die Bekanntschaft mit Euch zu vertiefen«, sagte Robert Bossu. »Aber ich muß Euch sagen – wenn Ihr es nicht längst wißt, denn ich glaube, Euch entgeht kaum etwas – , daß der Name Hugh Beringar vernunftbegabten Menschen nicht unbekannt ist. Wie konnte es anders sein? Im Schatzamt herrscht die meiste Zeit Durcheinander und die Beamten haben den Kontakt zu vielen Landesteilen verloren. Wie viele Grafschaften, wie viele Sheriffs, glaubt Ihr, zahlen überhaupt noch regelmäßig und pünktlich ihre jährlichen Abgaben? Ihr seid eine rühmliche Ausnahme, und Eure Grafschaft genießt so etwas wie Frieden.
    Man kann hier mit Berechtigung hoffen, ungefährdet zum Markt der Abtei zu gelangen, und Eure Straßen sind verhältnismäßig frei von dem, was wir beschönigend ›üble Sitten‹ nennen.
    Darüber hinaus habt Ihr es fertiggebracht, auf freundschaftlichem Fuß mit Owain Gwynedd zu stehen, selbst wenn es in Powys gelegentlich hoch hergeht.«
    »Ich bin nur bestrebt, meine Stellung zu behalten«, sagte Hugh mit einem verschmitzten Augenzwinkern.
    »Ihr seid bestrebt, Ruhe und Ordnung in Eurer Grafschaft zu gewährleisten«, sagte der Graf. »So wie alle vernunftbegabten Männer.«
    Sie saßen einander gegenüber an einem kleinen Tisch im Gemach des Grafen im Gästehaus, zwischen ihnen eine Karaffe mit Wein, abgeschirmt von der Außenwelt durch eine stoffgepolsterte Tür. Robert Bossu wurde vortrefflich bedient.
    Seine Knappen lasen ihm jeden Wunsch von den Augen ab, um ihn umgehend zu erfüllen, bewegten sich leichtfüßig und hantierten geschickt mit Gläsern und Karaffe und schienen dabei keine Scheu vor ihm zu empfinden, sondern Stolz, einem Herrn wie ihm dienen zu dürfen. Trotzdem entließ er sie, ehe er einen fast völlig Fremden ins Vertrauen zog, und Hugh war sicher, daß sie seine Order respektieren und sich so weit entfernen würden, daß sie nichts von dem Gespräch vernahmen, aber nahe genug, um ihn zu hören, falls er nach ihnen rufen sollte.
    »Ich liebe Ordnung«, sagte Hugh, »und ziehe es vor, meine Mitmenschen heil und lebendig zu sehen, auch wenn das, wie Ihr gesehen habt, nicht immer möglich ist. Ich hasse Vergeudung. Vergeudung von Leben, Vergeudung von Zeit, die nützlich zugebracht werden könnte, Vergeudung von Boden, der Früchte tragen könnte. Von allen dreien hat es schon mehr als genug gegeben. Ist es daher verwunderlich, wenn ich versuche, sie wenigstens aus meinem Amtsbezirk fernzuhalten?«
    »Ich schätze Eure Ansicht«, entgegnete der Graf bedächtig.
    »Was Ihr da sprecht, habe ich auch immer schon gesagt. Nun, seht Ihr ein Ende? Wie viele Jahre soll dieses ewige Hin und Her, das stets in einer Sackgasse endet, noch andauern? Ihr seid ein Anhänger von Stephen, und ich bin es auch. Männer, die ebenso ehrenhaft sind, folgen der Kaiserin. Und so verstricken wir uns, ohne weiter nachzudenken. Aber ich sage Euch, Hugh, die Zeit wird kommen, da die Menschen gezwungen sein werden, nachzudenken – auf beiden Seiten – , bevor die

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