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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Vergeudung alles vergeudet hat und kein Mann mehr die Lanze heben kann.«
    »Und Ihr und ich bewahren alles, was in unserer Macht steht, bis zu diesem Tag?« fragte Hugh, die Brauen skeptisch hochgezogen.
    »Es ist noch nicht soweit, aber der Tag wird kommen. Er muß kommen. Zu Beginn war noch ein Rest von Sinn darin zu erblicken, zu der Zeit, als Stephen die Normandie und auch England besaß und der Sieg in Reichweite war. Aber vor etwa vier Jahren änderte sich alles, als Geoffrey von Anjou gewaltsam in die Normandie eindrang und sie an sich riß, auch wenn es im Namen seiner Frau und seines Sohnes geschah.«
    »Gewiß«, stimmte Hugh zu, »in dem Jahr, als der Graf von Meulan uns verließ, um seinen Titel in der Normandie zu verteidigen, indem er, statt mit Stephen, mit Geoffrey handelseinig wurde.«
    »Was blieb meinem Bruder anderes übrig?« fragte Robert gelassen und nicht im geringsten empört, ja sogar mit einem ironischen Lächeln um die Lippen. »Seine Rechte und seine Titel liegen dort. Er ist Waleran, Graf von Meulan; wie teuer ihm seine Titel in England auch sein mögen, seine Wurzeln und sein Wesen sind dort. Nicht nur wegen der Normandie, obwohl der größte Teil seines Erbes dort liegt. Aber der Name, der Name ist französisch, und dafür ist er dem König von Frankreich Ehrerbietung schuldig, und jetzt, wegen des größeren Erbes, auch gegenüber Geoffrey von Anjou. Was immer er sonst auch aufgibt, ohne die Wurzeln und das Blut seines Namens kann er nicht leben. Da bin ich weit besser dran, Hugh. Ich erbte meines Vaters englische Besitzungen und Titel; ich kann hier verweilen und abwarten. Gewiß, meine Frau brachte mir Breteuil mit in die Ehe, aber daran hängt mein Herz sehr viel weniger, genauso wie meinem Bruder Worcester weniger bedeutet. Darum ist er drüben und gilt als Überläufer und Günstling von Maud, und ich bin hier und gelte als getreuer Anhänger von Stephen. Und welchen Unterschied seht Ihr zwischen uns beiden, Hugh? Zwischen uns Zwillingsbrüdern, den engsten Blutsverwandten, die es geben kann?«
    »Keinen«, sagte Hugh und schwieg eine Weile, um behutsam die passenden Worte für seine Antwort abzuwägen. »Ich verstehe durchaus«, fuhr er schließlich fort, »daß es so kommen mußte, nachdem die Normandie verloren war. Nicht nur für die Beaumont-Brüder, sondern auch für andere. Es gibt wohl keinen Mann unter uns, der nicht gewisse Zugeständnisse machen würde, um sein verbrieftes Recht und das Erbe seines Sohnes zu schützen. Auch wenn wir Euren Bruder jetzt als Anjous Anhänger betrachten, wird er bestrebt sein, Stephen so wenig wie möglich zu schaden und Geoffrey so wenig wie möglich tatkräftig zu unterstützen. Und Ihr, der Ihr hier Stephens Mann seid, werdet ihm weiterhin Eure Treue beweisen, aber möglichst still und unauffällig, werdet das Vorgehen gegen Anjou vermeiden, wie auch Waleran das Vorgehen gegen Stephen vermeiden wird. Er wird dort kaum über Eure fortgesetzte Bindung an Stephen sprechen, sondern Eure Länder und Interessen schützen, wie Ihr es hier für ihn tut.
    Die vermeintliche Kluft zwischen Euch ist keine Kluft. Sie ist eher eine Verbindung, die die Interessen vieler anderer, die so denken wie Ihr, vereint. Nicht im Sinne von Stephen, nicht im Sinne der Kaiserin und ihres Sohns.«
    »Im Sinne der Vernunft«, sagte der Graf, wobei er Hughs Gesicht mit wacher, kritischer Aufmerksamkeit musterte und lächelte. »Ihr fühlt es also auch. Dies ist ein Krieg geworden, der weder gewonnen noch verloren werden kann. Sieg und Niederlage, beides ist unmöglich geworden. Zu unserem Unglück kann es noch Jahre dauern, bis die meisten Menschen das begriffen haben. Wir, die wir versuchen, auf zwei Pferden zu reiten, wissen es bereits.«
    »Wenn es weder Sieg noch Niederlage gibt«, sagte Hugh, »muß ein anderer Weg gefunden werden. Kein Land kann ewig in einer verworrenen Sackgasse zwischen zwei erschöpften Kräften leben, ohne regiert zu werden, während zwei Gruppen verwirrter Greise auf ihren dürftigen Einkünften hocken und einander hilflos anstarren, nicht einmal fähig, die Hand für den Gnadenstoß zu heben.«
    Robert Bossu grübelte eine Weile über diese Zusammenfassung, wobei er seine schlanken Hände betrachtete. Dann blickte er plötzlich auf, und seine schwarzen Augen, aus denen tiefrofe Funken sprühten, begegneten Hughs Blick mit wohlwollender Anteilnahme. »Mir gefällt Eure Art, die Dinge zu beurteilen. Dies alles dauert nun schon viel zu

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