Der frühe Vogel kann mich mal: Ein Lob der Langschläfer (German Edition)
Präsidenten, Parteifreunde, Koalitionspartner und Journalisten, manchmal sogar im lockeren Freizeitlook – ein Mann, dessen Stimme über die Grenzen Europas hinaus Gewicht hat, kann es sich leisten, in Shorts und Ringelhemd die Tür zu öffnen und Gästen einen zufälligen Blick durch die angelehnte Schlafzimmertüre zu gewähren. Hat er hier bis vor kurzem die Lektüre der zehn Tageszeitungen, die er sich täglich vornimmt, beendet? Oder war es doch eher an seinem Schreibtisch? Wer weiß das schon.
Ausgeschlafene Gelassenheit ist nicht das Erste, was einem beim Namen Helmut Schmidt einfällt, der sich wegen seiner klaren Worte früh den Ruf einer »Schmidt-Schnauze« eingehandelt hatte. Er stand zu diesen Worten, dies verrät ein großes Selbstvertrauen in die eigene Urteilsfähigkeit, die er etwa als Innensenator 1962 bei der Hamburger Flutkatastrophe unter Beweis stellte, oder während der massiven terroristischen Herausforderungen durch die Baader-Meinhof-Bande und die RAF in den 70er Jahren.
Schmidt hat so manche Nacht kein Auge zu getan und hätte es wahrlich verdient gehabt, auszuschlafen. Das hat er inzwischen nachgeholt. Seine Frau Loki erzählte einmal: »Wir schlafen sehr viel. Wir haben die senile Bettsucht, keineswegs die präsenile Bettflucht.« [37]
Marilyn Monroe
Ja, auch die Monroe gehörte zu uns Langschläfern. Sie gilt sogar als unsere Königin! Selbst wenn man sie angesichts der Tragödien, die ihr Leben bestimmt und auch beendet haben, vielleicht nicht zum Vorbild erheben möchte. Aber das Leben und der Lebensstil der Marilyn Monroe ist eben auch eine Frage der Perspektive. Denn das, was die Monroe geschaffen hat, gilt für die Ewigkeit. Es ist egal, mit welchen Mengen Wasserstoffperoxid man sein Haar bleicht, wie blass man seinen Teint hält, wie verführerisch man seine roten Lippen zu einem Kussmund formt, wie schläfrig einladend man aus der (Unter-)Wäsche schaut oder wie stolz man sein Dekolleté präsentiert – keine Frau wird jemals an ihre Göttlichkeit heranreichen. Auch wenn die Monroe für das heutige Schönheitsideal mit Kleidergröße 40 etwas zu pummelig war (besonders für die Kamera, deren kaltherziger Blick ungnädige acht Kilogramm draufpackt) – sie bleibt das ewige Original, da können sich Madonna, Christina Aguilera, Lady Gaga oder Paris Hilton anstrengen, so viel sie wollen.
Marilyn Monroe war trotz all ihrer unzähligen Lebensdramen stets der unangefochtene Star, mehr noch, sie prägte ihre Epoche und setzte in vielerlei Hinsicht Maßstäbe. Am einprägsamsten wohl durch ihre Sinnlichkeit. In der sexhungrigen Nachkriegszeit sahen viele die Macht der Triebe als die letzte aller Wahrheiten an. Sex galt als Schlüssel zum Menschen, seiner Seele, seinem Innersten. Sigmund Freuds Lehren belebten Party-Gespräche. Der Sexualforscher Kinsey veröffentlichte seine erste Studie. Marilyn Monroe war Antwort, Erfüllung und Versprechen zugleich. Sie war nicht Objekt der Begierden, sondern deren Subjekt. Ihr wackelnder Gang, ihr Hauch von Stimme, ihr dicker Hintern – was wenige Jahre zuvor noch wie eine billige Provokation gewirkt hätte, war der Triumph eines üppigen schwelgenden Narzissmus, einer Freude an der eigenen Weiblichkeit ohne falsche Scham. 1952 kamen Jugend-Fotos der Monroe ans Tageslicht, die zeigten, wie sie sich nackt auf einem roten Stück Samt räkelte. Für alle anderen hätten diese Bilder das Aus der jungen Karriere bedeutet. Nicht jedoch für sie. Als ein, ob dieser Ungeniertheit fassungsloser Reporter nachhakte und fragte, ob sie denn tatsächlich nichts angehabt habe, antwortete die Monroe keck: »Doch, das Radio.« [38] Alle waren angetan von ihrer erfrischenden Schlagfertigkeit.
Ein anderer Beweis für die neuen Maßstäbe, die sie setzte, war ihr Umgang mit ihrem Marktwert. Sie war von der 20th Century Fox durch einen Siebenjahresvertrag gebunden, der ihr weniger zugestand, als ihr aufgrund ihrer wachsenden Popularität hätte zustehen müssen. Sie fand jedoch eine Lücke im Kleingedruckten, unterschrieb bei einer Plattenfirma und nahm Songs wie »Diamonds are a girls best friend« auf, die sie reich machten. Dann forderte sie von der 20th Century Fox bessere Rollen, bekam sie, wurde zum Publikumsmagneten Nummer eins und verließ – auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs – die Firma, um sich mit einer eigenen Filmproduktion selbständig zu machen.
Auch was die Richtlinien für die Güteklasse ihrer Liebhaber und Ehemänner betrifft, ist Marilyn
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