Der frühe Vogel kann mich mal: Ein Lob der Langschläfer (German Edition)
Bedürfnis nach Spaß, Sport, Zerstreuung und Service entgegenkommt – und das ist die Chance für diejenigen, die nachts Karriere machen wollen – und dies auch können, weil ihre Fähigkeit, lange wach zu bleiben, in ihrem Beruf eine wesentliche Schlüsselqualifikation ist.
Wenn Sie also nie vor Mitternacht zu Bett gehen, erst in Schwung kommen, wenn die normalen Arbeitstiere sich bereits für den Feierabend verabreden, wenn es Ihnen ein Leichtes ist, die Nacht zum Tag zu machen, dann sind Sie in nachfolgenden Branchen richtig. Manche der Jobs, die hier vorgestellt werden, sind sogar für Ein- oder Umsteiger ohne Ausbildung geeignet, denn Sie erfordern lediglich eine Schulung, die wenig zeitaufwendig ist, sowie die Fähigkeit, die Augen auch nachts offen zu halten.
Unterhaltungsbranche
Die Kunst gehört den Eulen. Wenn sich die Lerchen nach getaner Arbeit amüsieren wollen, haben Langschläfer die Gelegenheit zu zeigen, was sie können. Denn abends sind sie einfach besser drauf. Ob Sie auf der Bühne stehen und Applaus ernten oder ob Sie hinter der Bühne für einen geregelten Ablauf der großen Show sorgen – nachts können Sie mit Ihrer Aufgewecktheit punkten. Drei Nachtprofis erzählen von ihrem Arbeitsleben.
Die Ankleiderin
Das Erste, was Ingeborg macht, wenn sie ihren Job als Ankleiderin antritt, ist, sich erst einmal gründlich die Hände zu waschen. Der enge, ja manchmal sogar hautnahe Kontakt mit anderen Menschen erfordert das. Die Germanistik-Studentin arbeitet in einem großen Hamburger Musical-Theater in der Kostümabteilung und ist für die korrekte Ausstattung und den Kostümwechsel eines Künstlers zuständig. Arbeitsantritt ist um 18.30 Uhr – da hat sie den ganzen Tag Zeit für ihr Studium. Nach dem Händewaschen geht sie in die Garderobe ihres Künstlers und legt das Kostüm mit seinen Accessoires so aus, dass man es mit wenigen Griffen anziehen kann. »Die Kostüme sind meist Trickkleider, die man mit Klettband oder Haken und Ösen öffnen und schließen kann. Dazu kommen Schuhe, Handschuhe, Taschen und ein Gurt für das portable Mikrofon. Alles muss in der richtigen Reihenfolge angezogen werden. Denn wenn nachher im Dunkeln auf der Hinterbühne ein Kostümwechsel ansteht, hat man keine Zeit zum Nachdenken und Herumsuchen. Da muss alles schnell gehen und sitzen, damit der Künstler auf der Bühne kein Kostüm-Desaster erlebt.« Auch das hat Ingeborg bereits erlebt: Während des Umziehens musste einmal das Mikrofon ausgetauscht werden, weil es kaputt gegangen war. »In der Eile habe ich den unteren Teil eines mehrteiligen Mantels nicht richtig befestigt, weil mir zu wenig Zeit blieb. Der hat sich dann auf der Bühne verselbständigt.« Das Ergebnis: Der Schauspieler kam aus dem Gleichgewicht, zappelte wie ein Käfer auf dem Rücken herum und verhaspelte sich völlig im Text. Eine Abmahnung gab es für Ingeborg nicht, da jeder weiß, dass so etwas mal passieren kann, aber seitdem checkt sie jeden Haken und jede Öse zwei Mal, bevor sie einen Künstler auf die Bühne schickt.
Nach der Aufführung kontrolliert Ingeborg, ob die Kleidung irgendwelche Blessuren davongetragen hat, bevor sie die getragenen Kostüme mit der Hand und mildem Waschmittel auswäscht – und dann um 23.30 Uhr nach Hause geht. »Man guckt, ob Risse genäht oder Löcher gestopft werden müssen, die Schuhe abgetanzt oder vielleicht Perlen oder Federn abgerissen sind. Manchmal muss gar ein ganzes Kostüm neu angefertigt werden. Jeder Darsteller hat zwei Basiskostüme. Aber wenn man acht Mal pro Woche auftritt, verschleißt die Garderobe ziemlich schnell.« Solche Dinge werden dann in einem großen Buch eingetragen, das vom Tagesdienst abgearbeitet wird.
Auch Ingeborg schiebt manchmal Tagesschichten. Da wird geflickt, genäht, gestopft, gesäubert, gemalt, gestickt, gebügelt, gefärbt, gefaltet, geordnet und auch gewaschen. »Meist sind diejenigen, die im Tagesdienst arbeiten, gelernte Schneiderinnen. Aber wir haben auch Direktricen, Kostümbildnerinnen, einen Putzmacher und einen Sticker.« Tatsächlich ist es so, dass viele angehende Kostümbildnerinnen, die sich an der Kunsthochschule eingeschrieben haben, hier ihre ersten Erfahrungen in der Berufspraxis machen – und sich, wie Ingeborg, für ihr Studium Geld verdienen.
Das Team besteht zur Hälfte aus Halbzeitkräften (meist kostümaffine Studenten) und zur anderen Hälfte aus Vollzeitkräften, die einen Gesellenbrief in einem Handwerk rund um Kleidung
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