Der frühe Vogel kann mich mal: Ein Lob der Langschläfer (German Edition)
Musikszene ja für Sex, Drugs und Rock’n’Roll bekannt … Renate von Löwis of Menar räumt ein: »Das läuft unter der Hand. Es gibt verschlüsselte Codes, eine Art Geheimsprache. Aber ich überlese das und halte mich da raus. Ich werde mich hüten, dem nachzukommen. Das finde ich unprofessionell. Aber wenn eine Band unbedingt einen Kasten Bier braucht, um auf Touren zu kommen, dann bitte.«
Überhaupt scheint die Szene bei näherem Betrachten wesentlich disziplinierter zu sein, als alle Klischees vom Künstlerleben es behaupten. »Wenn wir am Veranstaltungsort ankommen, dann hilft die Band meist selbst, das Equipment für ihren Auftritt auf die Bühne zu tragen.« Während die Künstler proben und den Sound überprüfen, trifft sich die Tourmanagerin mit dem Vertreter des lokalen Veranstalters. Auch da wird wieder überprüft, ob alles, was die Band für ihren Auftritt braucht, vorhanden ist. »Neben dem Rider für persönliche Belange gibt es auch einen technischen Rider.« Dann kontrolliert Renate von Löwis of Menar die Kartenverkäufe und lässt sich die Tickets, die im Abendverkauf noch zu haben sind, vorzählen. Das ist wichtig, denn immerhin teilen sich Veranstalter und Band nach einem zuvor festgelegten Schlüssel die Einnahmen, und es gehört zu den wichtigsten Aufgaben einer Tourmanagerin, das Finanzielle zu regeln. Sind die Proben zu Ende, das Licht und der Sound eingestellt, sorgt sie dafür, dass alle Essen bekommen und sich fit machen für den Auftritt.
Für gewöhnlich schaut sich die Tourmanagerin während des Konzerts noch ein, zwei Songs ihrer Künstler an, dann geht sie an ihren Laptop und bereitet die Abrechnung vor. Wenn die Band bereits dabei ist, das Equipment von der Bühne zu räumen, sitzt sie oft noch über Zahlen, Quittungen und Rechnungsbüchern. »Bandmanagement zu machen, bedeutet nichts anderes, als einen Buchhalterjob zu machen«, erklärt Renate von Löwis of Menar. Aber natürlich ist es etwas anderes, ob man die Zahlen von Musikern prüft oder die eines mittelständischen Betriebs. Die Musik-Szene bietet nämlich durchaus mehr an Aufregung. »Einmal stand ein Künstler mit seiner Freundin in der Tür zu meinem Büro – das war ein international bekanntes Topmodel. Er wollte nicht, dass sie allein während des Konzerts herumsteht, weil sich keiner traut, sie anzusprechen, während er arbeitet. Da hab ich mich eben um sie gekümmert.« Auch auf Backstage-Partys wird die Tourmanagerin immer wieder Superpromis aus Hollywood vorgestellt. »Besonders Schauspieler stehen auf Rockbands. Das finden die so down to earth und echt.« Allerdings finden Partys, wie man sie aus den Bilderbüchern der Rockgeschichte kennt, nur selten statt. »Meist gehen wir nach dem Auftritt zurück ins Hotel, dann ein Drink noch oder ein Abendessen, das wars. Wenn wir mit dem Nightliner, einem großen Bus mit Schlafgelegenheiten, unterwegs sind, fahren wir sogar noch in der Nacht zum nächsten Venue.« Bands, die jeden Abend Party machen, verglühen schnell. Zum Erfolg gehört eben auch Disziplin.
Von Löwis of Menar selbst ist über ihre Liebe zur Musik in die Branche hineingeraten. In Bielefeld lernte sie eine Gruppe Leute kennen, die Konzerte mit Independent-Bands veranstaltete. »Ich war platt, dass man diese Gruppen einfach so einladen kann.« Bald hat die Tourmanagerin selbst Bands eingeladen, dann ist sie gefragt worden, ob sie auch Tourneen für sie organisiere. So kam eins zum anderen. Deshalb empfiehlt Renate von Löwis of Menar: »Wer Lust auf den Job hat, sollte die Nähe der Bands, die er mag, suchen und in Clubs arbeiten, wo diese auftreten – ob an der Bar oder an den Reglern ist zunächst gleich. Es geht darum, ein Gefühl für die Szene zu entwickeln und Vertrauen aufzubauen. Wichtig ist auch gutes Englisch, vielleicht sogar noch eine weitere Sprache. Das hilft, wenn man tourt. Wenn man das eine Weile gemacht hat, kann man ruhig einmal anfragen, ob man eine Band begleiten kann. Es ist nicht schlimm, die Karten offenzulegen und zu sagen, dass man noch nicht viel Erfahrung in dem Job hat. Für Quereinsteiger hat hier jeder Verständnis. In dieser Branche geht es nicht unbedingt um Diplome und Urkunden, sondern um Leidenschaft.«
Tourmanager ist ein Job für Autodidakten. Man bewirbt sich direkt an einer Bühne seiner Wahl. Einfach hingehen und das Gespräch suchen. Hier eine Auswahl von Clubs, in denen Bands der Alternativ-Szene spielen, und in denen man sich bewerben kann:
Comet
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