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Der Fruehling des Commissario Ricciardi

Der Fruehling des Commissario Ricciardi

Titel: Der Fruehling des Commissario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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besorgt schon. Früher ... bevor er das Lokal eröffnet hat, lachte er viel. Danach lachte er gar nicht mehr. Vielleicht kam deshalb niemand zum Essen. Niemand isst gern, wo nur Trübsal herrscht.«
    Ricciardi hörte aufmerksam zu.
    »Lassen Sie uns über den besagten Abend sprechen. Hatte er Ihnen gesagt, dass er zur Calise gehen wollte?«
    »Nein, er hatte uns nichts gesagt. Aber wir«, und sie warf einen flüchtigen Blick auf ihre Schwiegermutter, die ihre tröstende Hand nicht von Concettas Arm genommen hatte, »wir wussten es. Er hat den Laden gegen neun verlassen, als die meisten Leute schon gegangen waren. Mir hat er gesagt, dass er eine Besorgung zu machen habe, ich sollte zumachen und nach Hause gehen. Ich habe die Tür abgeschlossen, alles sauber gemacht und noch kurz gewartet, ob er vielleicht wiederkommen würde. Dann bin ich nach Hause gegangen, ich dachte, vielleicht ist er schon dort. Aber er war nicht da. Wir haben den Kindern zu essen gegeben, sie ins Bett gebracht. Nichts, er kam immer noch nicht zurück. Dann haben wir beide uns ans Fenster gestellt, sie und ich«, und sie deutete auf die Schwiegermutter, »und sagten uns: ›Gleich kommt er.‹ Es war schon nach Mitternacht, als er schließlich nach Hause kam.«
    »In welchem Zustand war er?«
    Concettas Augen waren voller Tränen und ihre Stimme zitterte.
    »Er war wie betrunken, aber er stank nicht nach Wein. Er torkelte, brauchte unglaublich lange, um die Treppe hochzugehen. Dann sagte er, er sei müde, fühle sich nicht gut. Er ließ sich mit Kleidern aufs Bett fallen, hatte hohesFieber, schlief schließlich ein. Ich hab’ ihn ausgezogen, wie ich’s mit den Kindern tue, wenn sie angezogen einschlafen.«
    Sie wechselte einen Blick mit ihrer Schwiegermutter; diese nickte fast unmerklich. Darauf zog Concetta aus ihrem Kleid ein gefaltetes Blatt Papier.
    »Das hier habe ich dabei gefunden, es war ihm aus der Jackentasche gefallen.«
    Sie hielt das Blatt Maione hin, der es entfaltete.
    »Ein Wechsel, Commissario. Über achtzig Lire, Zahlungsfrist vierzehnter April, unterzeichnet von Antonio Iodice. Zugunsten von Carmela Calise. Und ...«
    Ricciardi blickte auf und sah Maione an.
    »Und?«
    Maione sprach leise, er schaute zu Concetta.
    »Es klebt Blut daran, Commissario.«

    Emma öffnete die Tür einen Spalt breit. Der Professor sah einen Teil ihres Gesichts, die zerzausten Haare. Ihre Augen waren vom Weinen gerötet; vielleicht war es auch die Müdigkeit.
    »Was willst du?«
    »Darf ich reinkommen? Ich muss mit dir reden. Es ist wichtig.«
    Aus Emmas Stimme war der Schmerz herauszuhören.
    »Was kann es denn so Wichtiges geben?«
    Sie drehte sich um und ging in Richtung des Bettes, die Tür ließ sie angelehnt. Ruggero trat ein und schloss sie hinter sich.
    Im Zimmer herrschte Chaos. Kleidungsstücke und Wäsche waren achtlos auf Möbel und den Fußbodengeworfen, der Rest des Frühstücks gammelte auf dem Nachttisch vor sich hin, auf dem Bett lag ein benutztes Taschentuch. Die Luft roch abgestanden und feucht.
    »Du hast dich übergeben. Es geht dir nicht gut.«
    Emma zitterte, fuhr sich mit einer Hand durch die Haare.
    »Nein, wie schlau du doch bist! Deshalb nennen sie dich den Fuchs. Bitte, nimm Platz. Fühl dich wie Zuhause.«
    Ruggero überhörte ihren Sarkasmus. Er blieb weiter stehen und blickte sich im Zimmer um. Dann musterte er seine Frau.
    »Getrunken hast du auch. Sieh dich nur an: Du bist ein Wrack. Schämst du dich nicht?«
    Emma ließ sich aufs Bett fallen, sie kicherte.
    »Ob ich mich schäme? Ja, ich schäme mich. Ich schäme mich dafür, dass ich nicht genug Mut hatte, meinem Vater zu widersprechen, als er mich zwang, dich zu heiraten. Ich schäme mich dafür, es nicht geschafft zu haben, meine Koffer zu packen und dich zu verlassen, wenn du mich wieder einmal wie ein trotziges Kind behandelt hast. Und ich schäme mich dafür, dass ich jetzt gerade hier bin anstatt ...«
    Ruggero beendete den Satz für sie.
    » ... bei ihm. Bei Attilio Romor.«
    Es folgte eine lange Stille. Emma versuchte, das Bild ihres Mannes trotz ihres vernebelten Blicks zu fokussieren.
    »Woher kennst du seinen Namen? Du Aas! Bist du mir gefolgt? Hast du mich bespitzeln lassen? Mieser Feigling!«
    Nun sah Emma aus wie ein wildgewordenes Tier: Ihre Lippen hatte sie bis zum Zahnfleisch hochgezogen, derKopf war zwischen die Schultern geduckt, die Hände formte sie zu Klauen, ihre Augen waren rot von Zorn und Wein und ihre Haare zerzaust. Suchend blickte sie

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