Der Fruehling des Commissario Ricciardi
derVerletzungen, die er sich selbst zugefügt hat, heißt es im Bericht. Damit ist der Fall also abgeschlossen. Ein weiterer schneller Erfolg, wie ich sehe.«
Ricciardi hatte mit so etwas schon gerechnet und war vorbereitet.
»Keinesfalls, Dottore. Sie wurden nicht richtig informiert. Es gab keinerlei Geständnis seitens Iodice.«
Garzo schaute von dem Bericht auf und sah Ricciardi über seine runde, goldene Lesebrille hinweg an.
»Wer sagt denn etwas von einem Geständnis? Was er getan hat, sein Selbstmord, kann nur als Geständnis gedeutet werden. Er war der Mörder und sein Gewissen hielt nicht stand. Somit ist alles glasklar, wie mir scheint.«
Ricciardi schüttelte kurz den Kopf.
»Eben nicht, Dottore. Wir sind noch nicht mit den Verhören fertig. Uns fehlen noch ein, zwei Personen und ein paar Ortstermine. Danach können wir den Fall eventuell abschließen.«
Garzo nahm mit einer theatralischen Geste seine Brille ab.
»Genau über dieses letzte Verhör wollte ich mit Ihnen sprechen, Ricciardi. Ich weiß, dass Sie die Frau eines Mannes vorgeladen haben, der im Blickfeld der Öffentlichkeit steht. Sicher sind Sie sich darüber im Klaren, wie wichtig es ist, gute Beziehungen zu den Richtern und Anwälten der Stadt zu pflegen. Ich möchte Ihnen dringend ans Herz legen, es nicht zu Verstimmungen kommen zu lassen.«
Ricciardi lächelte.
»Aber, Dottore, ich dachte immer, sowohl Richter als auch Anwälte hätten ein unbedingtes Interesse daran, dass die Wahrheit ans Licht gebracht wird. Die Presse wärebestimmt überrascht festzustellen, dass die Vorladung zu einem Verhör vom Polizeipräsidium – wie soll ich sagen – verhindert wurde. Sie sollten wissen, dass sich in der Wohnung des Opfers eine Liste mit Namen befand, die ausgerechnet ein Journalist gefunden hat. Dass sie noch nicht veröffentlicht wurde, ist unserem Brigadiere Maione hier zu verdanken, der die betroffene Person um Diskretion gebeten hat, damit unsere Ermittlungen nicht behindert werden. Aber wenn Sie es für erforderlich halten ...«
Sowohl Maione als auch Garzo starrten Ricciardi verblüfft an. So beredt hatten sie ihn noch nie erlebt.
Der Vizepräsident kam wieder zu sich. Eine seiner hervorstechendsten Eigenschaften war ohne Zweifel die Fähigkeit, gleich zu merken, wenn er geschlagen war, und dann die Schäden in Grenzen zu halten.
»Wenn es so ist, dann tun Sie, was Sie für richtig halten. Und Ihnen, Brigadiere, gebührt mein Dank dafür, dass Sie so sehr um den Ruf des Präsidiums sowie der in den Fall verwickelten Personen besorgt sind. Das Einzige, worum ich Sie bitten möchte, Ricciardi, ist äußerste Diskretion. Daher wird die betroffene Person nicht zu Ihnen ins Büro kommen, sondern Sie begeben sich zur Wohnung der Signora. Und zwar fahren Sie mit dem Wagen hin, damit niemand Sie zu Fuß ankommen sieht. Halten Sie mich auf dem Laufenden.«
XLVII
Wenn er etwas hasste, dann war es, ein Automobil zu lenken. Vielleicht weil es nicht zu seiner Generation passte oder weil er als kleiner Junge auf Pferden geritten war und sich dieserFortbewegungsart immer noch verbunden fühlte. Auf jeden Fall mochte Maione das Autofahren nicht.
»Also ich versteh’ das nicht. Die Leute setzen sich ins Auto, um einen Kilometer zurückzulegen! Fünf Minuten braucht man dafür zu Fuß! Sonst wollen sie den Wagen doch auch nie hergeben. Dann sollen sie ihn auch jetzt behalten!«
Obwohl er sich gerade erst ans Steuer gesetzt hatte, schwitzte er bereits wie verrückt. Der Motor heulte im Leerlauf auf. Maione legte den Gang ein, das Fahrzeug tat einen Sprung nach vorn und ging aus. Ein Rechtsanwalt und ein Amtsdiener, die sich im Hof des Präsidiums unterhielten, traten besorgt einen Schritt zurück.
»Auch das noch, verbrannte Kupplung, blödes Ding. Ich frage mich ja, Commissario, warum Sie das mit der Namensliste und dem Journalisten gesagt haben. Und dann ausgerechnet ich, wo ich Journalisten nicht ausstehen kann.«
Ricciardi, der in den Rücksitz gedrückt worden war, hielt sich mit beiden Händen am Türgriff fest.
»Es war das Einzige, was mir einfiel. Aber sag mal, gab’s denn niemanden, der uns hätte fahren können?«
Maione sah beleidigt aus.
»Glauben Sie mir, Commissario, im gesamten Präsidium gibt’s keinen besseren Fahrer als mich! Der blöde Wagen macht Mucken, weil er nicht richtig überholt wurde, das ist das Problem. Ach, na also, da ist ja die Lüftung.«
Mit einem Röhren kam der Motor erneut in Gang und das
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