Der Frühling - Hyddenworld ; 1
Gefühl, dass sie nichts zu befürchten hat … Nun ja, das hat sie ja auch nicht …
nicht direkt.«
Dies alles gefiel Katherine nicht, ganz und gar nicht. Kaum waren die Schritte draußen verklungen, sprang sie aus dem Bett, öffnete die Tür und bog in die entgegengesetzte Richtung ab.
Der Korridor war recht lang. Sie kam an mehreren Türen vorbei,die wie ihre aussahen und ebenfalls Gucklöcher hatten. Alle waren dunkel bis auf eine. Neugierig spähte sie hinein. Ein Mädchen lag auf einem Bett und schlief, so wie sie selbst bis vor ein paar Minuten.
Sie ging weiter und gelangte an eine T-Kreuzung. Der Korridor, der nach links führte, war dunkel, der andere, der nach rechts abging, beleuchtet. Sie wandte sich nach rechts, dem Licht entgegen.
Sie fand das dunkelhaarige Mädchen in einem Nebenraum, wo es gerade damit beschäftigt war, Kleider zusammenzulegen und Kartons in den vielen Regalen zurechtzurücken. Es roch gut wie in einer Wäscherei, nur ohne Dampf und Bügeleisen.
Als Katherine in der Tür erschien, fuhr das Mädchen herum. Bei Katherines Anblick atmete sie erleichtert auf.
»Ich habe dich gar nicht gehört«, sagte sie. Sie hatte einen merkwürdigen Akzent.
»Wo sind wir hier?«, fragte Katherine.
»Im Haus der Barmherzigen Schwestern.«
»Wer sind sie?«
»Sie tun gute Werke. Du wirst bald eine von ihnen.« In ihrer Stimme schwang Mitleid, aber auch Trotz mit.
»Warum hast du geweint?
»Schwester Chalice hat mich geschlagen, wie immer. Sie ist ein Aas.«
Das glaubte Katherine gern. Chalice war offensichtlich die Große mit der durchdringenden Stimme.
Im nächsten Moment überschüttete Katherine das Mädchen mit Fragen. Sie befürchtete, dass die Schwestern jeden Moment zurückkommen könnten, und wollte bis dahin möglichst viel in Erfahrung bringen.
»Bist du eine Bilgenerin, wie sie sagen?«
Das Mädchen blickte irgendwie gekränkt und zögerte.
»Ja«, antwortete sie und schlug wie verschämt die Augen nieder.
Katherine sah, dass sie schön war, die dunklen Augen dezent geschminkt, die Lippen voll, die Haut dunkel und glatt, das Dekolleté üppig über einer gelben Seidenbluse. Die dunkle Jacke, die sie vorhin getragen hatte, lag ordentlich über einem Karton.
»Was bedeutet das?«, fragte Katherine.
Das Mädchen sah sie verwirrt an. »Wir sind ein anderes Volk, undsie verachten uns.« In diesen Worten schwangen Jahrhunderte des Ausgestoßenseins, der Ablehnung und Ausgrenzung mit.
Katherine hörte irgendwo Schritte, aber sie kamen nicht näher.
»Was bedeutet das Wort genau?«
»Sie mögen uns nicht. Wir sind anders. Wir leben an Flüssen und Kanälen. Sie halten uns für schmutzig und glauben, unsere Haut sei deshalb dunkel, weil es dort Unrat gibt.« Katherine blickte so erstaunt, dass das Mädchen grinste. »Natürlich ist das nicht wahr.«
»Sie haben behauptet, mein Teint sei unrein und rauh«, erwiderte Katherine.
Das Mädchen trat näher, unwillkürlich von dem Wunsch geleitet, sie zu beruhigen. »Das stimmt nicht. Er ist schön, aber …«
»Was aber?«
»Sie werden ihn ruinieren, sodass du bald alt und blass aussiehst. Dann werden sie dich zwingen, ständig Puder aufzulegen, und dir das Gesicht zukleistern.«
»Ich heiße übrigens Katherine.«
Das Mädchen sagte nichts.
»Wie heißt du?«
Wieder ein Zögern, dann: »Nummer elf.«
Katherine sperrte den Mund auf. »Das ist doch kein Name. Wie heißt du richtig?«
»Hais.«
Wieder Schritte, irgendwo über ihnen.
»Warum haben sie dich geschlagen, Hais?«
»Weil ich gesagt habe, dass der viele Regen zu einer Überschwemmung führen wird und dass ich nach Deritend zurückmuss, solange ich noch kann. Ich soll nämlich Braut des Tages werden, und das wird man nur einmal im Leben!«
»Was ist das, ›Braut des Tages‹?«
»In den meisten Bezirken und Straßen von Brum feiert man morgen den Geburtstag des Hochaltermanns. Das Fest in Deritend ist von allen das bekannteste, abgesehen von den Feierlichkeiten beim Hochaltermann selbst, aber dazu werden nur Leute aus den reichen Familien von New Brum eingeladen! Und seltene Besucher wie du. In Deritend ist es so, dass die Braut sich ihren Bräutigam sucht und Verlobung feiert.«
»Du meinst, du gehst durch die Straßen und suchst dir jemanden zum Heiraten?«
Hais lachte.
»Nein, wir richten es schon so ein, dass die Braut den richtigen Bräutigam bekommt. In meinem Fall ist es ein Junge, den ich schon von klein auf kenne. Auf diese Weise machen wir
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