Der Frühling - Hyddenworld ; 1
ging zum Gitter und stellte fest, dass sich die Klappe mühelos öffnen ließ. Sie spähte gerade rechtzeitig auf den Gang hinaus, um zu sehen, wer draußen vorbeiging.
Sie kamen so dicht an ihr vorüber, dass sie Schwierigkeiten gehabt hätte, sie zu erkennen, hätte sie ihresgleichen nicht schon am Abend zuvor gesehen. Es waren zwei Frauen in weißen Gewändern, mit denselben Perücken aus wallendem schwarzem Haar.
Hinter ihnen ging, oder vielmehr rannte, ein Mädchen in einer blauschwarzen Bluse und einem Stufenrock aus fließender bunter Seide. Ihr Haar war echt, schön frisiert und mit glänzenden Kämmen hochgesteckt. Die älteren Frauen wirkten elegant, aber schlecht gelaunt, während das Mädchen, das eher pummelig war, bester Dinge zu sein schien.
Katherine war versucht hinauszurufen, doch sie waren vorüber, ehe dieser Gedanke ganz Gestalt angenommen hatte.
Beiläufig drehte sie am Türknauf. Zu ihrer Überraschung schwang die Tür so leicht auf, dass sie förmlich auf den Korridor hinausfiel.
Im selben Moment vernahm sie einen Ruf, gefolgt von einem Klatschen, das nach zwei deftigen Ohrfeigen klang. Dann einen zornigen Schrei und eine dritte Ohrfeige. Ein Schluchzen folgte. Augenblicke später erklangen Schritte aus der Richtung, in der die Frauen soeben verschwunden waren.
Aufgeregt schaute Katherine nach links und rechts, huschte in ihre Zelle zurück und schloss die Tür, um sie vorbeizulassen. Sie spähte wieder durch das Guckloch. Es waren die beiden Frauen von vorhin. Das dunkelhaarige Mädchen war nicht mehr bei ihnen, aber Katherine konnte noch das Schluchzen hören.
Dann verhielten die Schritte und kamen wieder zurück.
Instinktiv zog Katherine die Schlappen aus, stellte sie ordentlich an ihren Platz zurück, sprang ins Bett und schlüpfte unter die Decke.
Sie tat gut daran. Im nächsten Augenblick flog die Tür auf, und jemand trat ein. Katherine hielt die Augen fest geschlossen, folgerte aber aus dem schweren, moschusartigen Parfümgeruch, der den Raum erfüllte, dass es eine der beiden Frauen war.
Eine barmherzige Schwester!,
sagte sich Katherine, während das Schluchzen des Mädchens anhielt.
Katherine hörte, wie die zweite Frau zu der ersten trat und neben ihr stehen blieb. Sie bemühte sich, langsam und gleichmäßig zu atmen.
»Das ist die Lange, die gestern Abend angekommen ist«, sagte eine Stimme.
»Grässlich dickes Haar«, erwiderte die andere.
»… und einen rauhen Teint, ganz rot und ungeschminkt.«
»Sie war wohl in der Oberwelt und hat in der Sonne gearbeitet. Wenn diese Bilgenerin nicht bald zu heulen aufhört, muss ich sie noch einmal bestrafen!«
»Sollen wir die da aufwecken?«
»Nein, das hätte keinen Sinn. Sie wäre verschlafen und zu nichts zu gebrauchen, und ich möchte meine Zeit nicht damit verschwenden, sie auch noch munter zu machen. Gib ihr noch ein oder zwei Stunden, und dann gießt du kaltes Wasser über sie. Ich kenne kein wirksameres Mittel.«
»Schau dir nur ihre großen Füße an. Schrecklich.«
»Die wird schon klein beigeben. Das tun sie am Ende alle.«
»Sollen wir die Tür unverschlossen lassen?«
»Wir sperren sie nur ein, wenn sie Schwierigkeiten machen. Dieses Mädchen ist bis jetzt gefügig gewesen, und wenn wir die Tür unverschlossen lassen, hat sie das Gefühl, dass sie nichts zu befürchten hat.«
»Nun ja, das hat sie ja auch nicht. Jedenfalls nicht direkt.«
»Nicht, wenn sie vernünftig ist. Sie würde nie an den Wachen vorbeikommen, und selbst wenn sie so weit käme, würde sie bestraft werden, daher lohnt es sich nicht. Und überhaupt …«
Die Tür schloss sich.
Und überhaupt?
Katherine hörte nichts mehr.
Sie setzte sich sofort auf, unschlüssig, ob sie ängstlich oder wütend sein sollte.
Große Füße, also wirklich!
Sie hatte nur Größe vierzig.
Rauher Teint?
Ihre Mom und Mrs. Foale hatten immer das Gegenteil behauptet.
Lang?
Na schön, aber sie wurde rasch fülliger …
Plötzlich musste sie grinsen, da sie wusste, wie Jack darüber gelacht hätte.
Bilgenerin?
Sie fragte sich, ob sie von dem Mädchen gesprochen hatten, das sie gesehen hatte und das die gleiche dunkle Haut hatte wie Tirrich.
Oberwelt?
Sie musste eine Weile überlegen, ehe sie darauf kam, dass damit wahrscheinlich draußen gemeint war, die reale Menschenwelt über ihnen.
Der letzte Teil ihres Gesprächs beunruhigte sie am meisten.
»Nur wenn sie Schwierigkeiten machen. Dieses Mädchen ist bis jetzt gefügig gewesen … hat sie das
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