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Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Titel: Der Frühling - Hyddenworld ; 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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herübergestreckter Fuß bewahrte ihn davor, auf der anderen Seite wieder herunterzufallen. Dann, endlich in Sicherheit, hockte er auf dem Brett, rang nach Luft und starrte hinab auf das Gleis, das unter ihm in Bewegung geriet.
    »Zeit für ein Nickerchen«, rief Barklice, als der Zug Fahrt aufnahm und der Lärmpegel stieg. »Sehen Sie zu, dass Sie schön verkeilt sind, sonst fallen Sie herunter, wenn der Zug schlingert oder einen Ruck macht, und wenn Sie sich auf den Rücken legen, stellen Sie sich den Rucksack aufs Gemächt … so schützen Sie es vor …«
    Der Lärmpegel stieg weiter, und Barklice war kaum noch zu verstehen.
    »Wovor?«, rief Jack nervös.
    »… den Schottersteinen!«, brüllte Barklice. »Die können Ihrer Männlichkeit übel mitspielen.«
    Mehr konnte Jack nicht in Erfahrung bringen, denn der Lärm übertönte jedes weitere Wort. Er drehte sich und suchte eine bequemere Position. Wie sich herausstellte, lag es sich auf dem Rücken am besten. Er setzte sich den Rucksack auf dem Unterleib und fragte sich, wie er an einem solchen Ort und in einer solchen Haltung jemals schlafen sollte.
     
    Doch Jack hatte sich bald an das Geratter von Zug und Gleis gewöhnt, und der gleichmäßige Rhythmus und die Wärme gaben ihm das Gefühl, in einem Kinderbett in den Schlaf gewiegt zu werden.
    Er schloss die Augen und überließ sich dem nächsten Teil seiner Reise.

61
HAIS
    A ls Katherine schließlich erwachte, wusste sie nur, dass eine lange Zeit verstrichen war und dass sie in ernsten Schwierigkeiten steckte.
    Man hatte sie in eine kleine Zelle gebracht, deren Wände aus rauhem Beton bestanden, mit einem kleinen Gitter hoch oben in einer Ecke, durch das mattes Licht fiel. Sie lag auf unlackierten Brettern, die in einen einfachen Holzrahmen gesetzt waren, und ihre Bettdecke bestand nur aus einem dünnen, blauen Laken. Im Raum war es warm, fast stickig, und der Fußboden bestand aus nacktem, blau gestrichenem Beton mit einem Abfluss in der Mitte. Drei dicke Rohre, von denen jedes mit einer andersfarbigen Wärmedämmung ummantelt war, schlängelten sich an der Decke entlang. Statt ihrer Kleider trug sie einen einfachen Morgenrock. Hinter ihren Augen pochte ein Schmerz.
    Doch als sie sich an den Kopf fasste, um den Schmerz zu lindern, machte sie eine Entdeckung, die weitaus schlimmer war. Ihr Haar war kurz geschnitten. Sie sah sich nach einem Spiegel um, doch es war keiner da, nicht einmal ein Fenster, in dem sie ihr Spiegelbild hätte sehen können. Wieder betastete sie ihre Haare. Sie fühlten sich schrecklich an, und ihr wurde klar, was sie schon bei ihrer Ankunft in Brum erkannt hatte – dass sie fliehen musste.
    Sie blieb liegen, wie sie war, bis ihr Kopf klarer wurde. Vermutlich hatte man sie am Abend zuvor irgendwie unter Drogen gesetzt, und das bedeutete, dass es richtig von ihr gewesen war, jedes andere Getränk außer Wasser abzulehnen. Denselben Fehler würde sie nicht noch einmal begehen.
    Sie dachte gründlich über alles nach, was geschehen war, und vor allem dachte sie an Jack.
    »Ich habe ihm nie gesagt, was ich wirklich für ihn empfinde.«
    Wo bist du,
fragte sie in der beängstigenden Stille ihrer Gedanken.
Was tust du gerade? Bist du wohlbehalten in Woolstone? Sag mir, dass du mir nicht an diesen schrecklichen Ort gefolgt bist, wo sie einem die Haare abschneiden und man jede Orientierung verliert und einem nichts richtig vorkommt. Sag es mir, Jack.
    Eine Träne rollte ihr über die Wange.
    Ich brauche dich,
gestand sie sich ein.
Ich brauche dich … ich möchte dich bei mir haben … ich möchte, dass du mich zum Lachen bringst.
    Noch mehr Tränen flossen.
    Dann hörte Katherine, dass sich Leute der Tür näherten. Sie tupfte sich Augen und Nase ab, setzte sich auf und lauschte. Auch die Tür war mit einem Gitter versehen. Es befand sich auf Augenhöhe, war jedoch auf der anderen Seite mit einer Holzklappe verschlossen. Die Leute draußen waren Frauen, das konnte sie hören. Sie schwatzten und lachten, und dann gingen sie vorbei. Wenig später kamen sie wieder und gingen denselben Weg zurück.
    Sie schaute sich im Raum um und entdeckte ein Paar Lederschlappen, die ordentlich nebeneinander unter dem Bett standen. Sie hatten nach hinten gebogene Spitzen, waren mit Goldfaden verziert und sahen aus wie von einem orientalischen Bazar. Aber sie passten wie angegossen.
    Wieder hörte sie Stimmen nahen und das Trappeln von Schritten eine Treppe herunterkommen. Kurz entschlossen stand sie auf,

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