Der Frühling - Hyddenworld ; 1
welche zu geben. Arthur, noch nie geschickt in solchen Dingen, spürte, wie sich ihm die Nackenhaare sträubten.
Er wurde lauter, begann zu poltern, doch gerade als er brüllen wollte, trat Margaret ins Zimmer.
Sie hob fragend eine Augenbraue, und er beruhigte sich sofort.
»Einen Moment bitte«, sagte er und hielt die Hand über die Sprechmuschel.
»Wer ist denn dran, Arthur?«
»Ein Mister Lynas vom Jugendamt North Yorkshire. Er …«
Arthur erklärte es, so gut er konnte. Dabei reifte in ihm die Erkenntnis, dass er drauf und dran war, den vielleicht wichtigsten Telefonanruf seines Lebens zu vermasseln.
Er nahm den Hörer wieder hoch.
»Ich glaube«, sagte er so ruhig wie möglich, »Sie sprechen besser mit meiner Frau. Eine Sekunde, bitte.«
Margaret nahm den Hörer und begann das Gespräch noch einmal von vorn.
»Hallo. Hier spricht Margaret Foale. Könnten Sie …?«
Als Margaret einige Zeit später auflegte, hatte sie zu Roger Lynas eine freundliche Beziehung geknüpft, ihm die Information entlockt, dass der Junge Jack hieß, und ihm obendrein das Versprechen abgenommen, sie fortan auf dem Laufenden zu halten. Ohne im eigentlichen Sinn zu lügen, hatte sie glaubhaft den Eindruck vermittelt, dass sie weit mehr über den Jungen wüssten, als tatsächlich der Fall war, und obendrein bewirkt, dass sie und ihr Mann nun stärker eingebunden werden würden. Allerdings sei ein persönliches Treffen erforderlich, bevor sie helfen könnten.
Sie erhielt eine Nummer, die sie anrufen konnten, nahm überschwenglichen Dank entgegen und erfuhr, was am wichtigsten von allem war, dass Jack noch am selben Tag zur weiteren Klärung nach London geschickt würde.
»Dann rufen Sie uns morgen also an«, hatte sie schließlich vereinbart.
Doch als sie den Hörer auflegte, sah sie blass aus und atmete so hastig, dass sie sich setzen musste.
»Was ist?«, fragte Arthur.
Sie hatten keine Kinder bekommen können, obwohl sie sich beide sehnlichst welche gewünscht hatten. Sie hatten immer gewusst, dass dieses riesige und baufällige Landhaus, das Margaret geerbt hatte, Kinder brauchte. Mit seinen unzähligen Möglichkeiten zum Spielen und seinem Garten mit Bäumen zum Klettern und mit Nischen zum Höhlenbauen und Verstecken schrie es förmlich nach jungem Leben. Der Anruf hatte Margarets Innerstes aufgewühlt.
Arthur ging zu ihr. »Was ist?«, fragte er sanft.
»Dieses Gespräch«, antwortete sie. »Es war das erste Mal, dass ich über ein Kind gesprochen habe, als ob … als ob …«
Sie senkte den Kopf und streckte ihm blind die Hand hin.
»… als ob es mein eigenes wäre.«
»Aber Darling …«
»Ich weiß, ich weiß, aber … dieser Junge hat niemanden. Keinen Menschen. Kannst du dir das vorstellen?«
»Ja, aber …«
»Etwas ist im Gange, Arthur, und es ist etwas Wichtiges. Es ist ein Anfang von etwas, und es beginnt mit diesem Jungen. Irgendwiehat dieser Junge – sie nennen ihn übrigens Jack – etwas in mir verändert.«
Sie verstummte.
»Morgen, morgen wissen wir mehr«, war alles, was ihm dazu einfiel.
Plötzlich klatschte Regen gegen das Fenster. Sie hörten, wie die Tür des Wintergartens zuschlug.
»Es hat bereits begonnen«, sagte sie unvermittelt. »Es geschieht jetzt …«
Arthur blickte verdutzt.
»… weißt du etwas darüber?«
Er schüttelte den Kopf.
»Ich fühle noch etwas anderes, das ich noch nie gefühlt habe. Ich glaube, dass Jack etwas Schreckliches zustoßen wird, und es quält mich, dass ich nichts dagegen tun kann, nichts …«
Arthur nahm sie fest in die Arme, und während über dem Haus ein Unwetter losbrach, weinte sich Margaret den aufgestauten Kummer von Jahren von der Seele, und Arthur hatte plötzlich das Gefühl, um sie herum gehe die Welt unter.
10
MASTER BRIF UND SEINE FREUNDE
I mbolc beobachtete, wie Brif, Pike und einige andere langsam über das Feld auf sie zukamen. Angeführt wurden sie von Master Stort, dessen zaudernder Gang sie offenbar verdross. Sie waren eine entschlossenere Führung gewöhnt, als ihnen ein Elfjähriger bieten konnte.
Sie gab dem Schimmel den Befehl, in Gestalt einer Nebelschwade über dem Tal zu verweilen und sich in den kommenden Stunden bereitzuhalten, bis ihre gegenwärtige Aufgabe erfüllt war. Dann, als ihr Pferd für Hydden und Menschen unsichtbar war, überlegte sie, in welche ihrer vielen Verkleidungen sie schlüpfen sollte.
Imbolc entschied sich für ihre Lieblingsverkleidung. Sie murmelte einen Zauberspruch, fuchtelte mit
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