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Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Titel: Der Frühling - Hyddenworld ; 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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ihrer arthritischen Hand und verwandelte sich plötzlich in eine Hydden mittleren Alters, eine fahrende Händlerin aus Irland, zu der ihr keltischer Name gut passte.
    Auf dem Rücken trug sie einen großen Rucksack und an einem Gurt um den Hals einen Bauchladen, der Kämme, Schnürsenkel und Glücksbringer für Reisende enthielt. Ihr Buckel verschwand, und ihr Gang wurde beschwingter. Obwohl in diesem Augenblick heftiger Regen einsetzte, summte sie eine eingängige Melodie.
    Sie wusste nicht besser als Stort, wohin er gehen sollte, denn auch eine Friedensweberin sieht nicht alles, was kommen wird, nur die allgemeine Richtung. Und selbst darin irrte sie oft, denn so wunderbar die Wurd auch sein mochte, so war sie doch den Launen der Sterblichen unterworfen.
    Stort sah noch merkwürdiger aus, als sie ihn in Erinnerung hatte. Er trug eine altmodische Jacke und blieb alle paar Meter stehen, spähte hierhin und dorthin, blickte zu Boden und dann in den Himmel, ehe er schnuppernd die Nase in die Luft reckte, als erhoffe er sich davon eine Erleuchtung, und den anderen schließlich mit einemWink bedeutete, weiterzugehen. Kein Wunder, dass seine Begleiter so verzagt wirkten.
    Doch gerade als sie hinsah, fand der junge Führer mit einem Mal Orientierung und Zielstrebigkeit wieder. Sie vernahm einen Schrei wie von jemandem, dem soeben ein Licht aufgegangen war, und Stort bog scharf nach links ab, hechtete praktisch mit dem Kopf voran und ohne erkennbare Bedenken durch eine Dornenhecke und erklomm den Eisenbahndamm, der sich auf der anderen Seite erhob. Die übrigen folgten murrend.
    Die meisten trugen die Kleidung von Knüppelmännern, die ihrer Bürgerpflicht nachkamen: enge Lederhosen, einen Waffenrock aus festem Tuch und derbe Stiefel. Und jeder hielt einen vorn und hinten mit Eisen beschlagenen Knüppel in der Hand.
    Sie musterte ihre Gesichter in der Hoffnung, ein vertrautes darunter zu entdecken, und war froh, als sie Master Brif erblickte. In ganz Englalond gab es keinen Hydden, den sie mehr achtete. Um in seine Nähe zu gelangen und mit ihm sprechen zu können, musste sie sich allerdings zuerst durch die dornige Hecke schlagen.
    Da die Hecke dicht und feucht war, wünschte sie, der sonst so umsichtige Schimmel hätte mehr Weitblick bewiesen und sie auf der anderen Seite des Hindernisses abgesetzt. Doch einmal am Boden, musste sie leiden wie jeder Sterbliche. Also drückte sie sich den Bauchladen an die Brust und zwängte sich, durch den schweren Rucksack behindert, durch die Hecke, bis auch sie den Bahndamm erklimmen konnte.
    Als sie endlich oben ankam, war das Häuflein, dem sie folgte, die Bahnlinie entlangmarschiert und verschwunden. Die Strecke selbst war seit langem stillgelegt, Gleise und Schwellen hatte man abgebaut. Doch es gab noch die Überreste eines Bahnsteigs, wo einst ein Landbahnhof gestanden haben musste, dessen Gebäude allerdings ebenfalls verschwunden waren.
    Imbolc hastete den ehemaligen Schienenstrang entlang, und bald erblickte sie eine verlassene Landstraße, die unter dem Bahndamm hindurchführte, und begriff, dass die Hydden das einzig Vernünftige getan hatten, wieder vom Bahndamm geklettert waren und unter der Brücke Schutz vor dem Regen gesucht hatten. Sie fand sie am Boden kauernd vor. Sie erwiderten ihren Gruß nur mit einem Nicken und stierten weiter finster in den Regen hinaus.
    Mit Ausnahme von Brif, versteht sich, der wusste, wer sie wirklich war, und sich freute, sie zu sehen.
    »Sieh an, sieh an«, begann er mit sichtlichem Vergnügen, »was führt Sie an diesem scheußlichen Tag hierher, Imbolc?«
    Regentropfen hingen in seinem grauen Bart, und sein Mantel war durchnässt, doch wie stets bewahrte er Würde und seine gute Laune. Sie lächelte und reichte ihm die Hand zum Gruß.
    »Dasselbe, was Sie hergeführt hat, Master Brif, vermute ich. Es kommt wahrlich selten vor, dass Sie sich so weit von Ihrer geliebten Bibliothek in Brum entfernen. Aber dass ich Sie an einem so trostlosen Ort antreffe und in Begleitung einer so bunten Schar, bestätigt mich in der Vermutung, dass etwas sehr Merkwürdiges im Gange ist. Habe ich recht?«
    Sie wusste bereits, dass Stort sie an diesen Ort geführt hatte, doch sie wollte von Brif hören, was er von dem höchst ungewöhnlichen jungen Hydden hielt.
    Er beantwortete ihre Frage nicht und schimpfte stattdessen über das Wetter, das mit jedem Augenblick schlechter wurde. Tatsächlich ließ dieser Sturm nichts Gutes ahnen. Der Wind wurde rauher, und

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