Der Frühling - Hyddenworld ; 1
und vieles andere mehr, wonach seine plötzlichen Launen und sein zügelloser Appetit verlangten.
Zu Recht wurde ihm nachgesagt, dass er das, was seine sparsamen Vorfahren in zweihundertfünfzig Jahre in Brum und der weiten Welt zusammengestohlen hatten, innerhalb von fünfundzwanzig Jahren zurückgegeben hatte – so alt war er nämlich.
Dass er die Wechselfälle des Lebens unter den Fyrd, denen viele andere Mitglieder der führenden Brumer Familien zum Opfer gefallen waren, bislang unbeschadet überstanden hatte, verdankte er zwei Umständen.
Erstens der offenkundigen Tatsache, dass ein so junger und vermeintlichunbedarfter Zeitgenosse für niemanden eine Bedrohung darstellte und daher eine ideale Galionsfigur war, leicht zu kontrollieren und zu beeinflussen.
Zweitens seinem unbestreitbaren Charme und seinem Geschick, den humorlosen Fyrd zu schmeicheln, ohne in irgendeiner Weise hinterlistig zu wirken. Er gefiel und war selbst leicht zufriedenzustellen. Die verschiedenen Fyrd-Generäle, die seit seiner Ernennung zum Hochaltermann im Alter von fünfzehn Jahren die Verwaltung der Stadt geleitet hatten, hatten in ihm einen optimalen Partner gefunden. Er war ein kluger Kopf, verfügte über gute Beziehungen und wusste, wer bei den Hydden etwas zu sagen hatte, wen er schmieren, wen er mit seinem Charme umgarnen und wann er unverblümt mit dem Besuch eines Quentors drohen musste, eines jener Inquisitoren, deren Aufgabe es war, den Befehlen des Oberkommandos der Fyrd Geltung zu verschaffen.
Der Pakt war einfach: Die Fyrd erlaubten Festoon, im Luxus zu schwelgen und sein Vermögen zu verprassen, und im Gegenzug machten sie sich seine Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse zunutze.
Allerdings hatte dieses bequeme Arrangement einen Haken, der den Fyrd ebenso Kopfzerbrechen bereitete wie den Reichen und den Honoratioren von Brum, die Festoon mit einer Mischung aus Verlegenheit, Scham und Verachtung betrachteten. Dies war der Umstand, dass er sich trotz seiner Unmäßigkeit und Verschwendungssucht bei den einfachen Leuten sehr großer Beliebtheit erfreute.
Für sie verkörperte er etwas, das nie in befriedigender Weise definiert worden war, am wenigsten von den Bewohnern der Stadt selbst. Man könnte es »Brumer Witz« nennen, worunter die Fähigkeit zu verstehen ist, sich auf eine geistreiche und häufig hintergründige Art über alles und jeden lustig zu machen und damit mehr oder weniger ungestraft durchzukommen.
Unter den Bewohnern von Brum herrschte der leise, nie laut ausgesprochene oder auch nur angedeutete Verdacht, dass sich Festoons Ausschweifungen und Überspanntheiten auf eine hintergründige Weise gegen die Fyrd selbst richteten, die aufgrund ihrer Sinnesart und kulturellen Herkunft den Witz nie ganz verstanden.
Dieser Verdacht stützte sich auf eine einfache Tatsache. Hatten seine Vorfahren aus dem Avon-Clan ihren Wohlstand auf demRücken der armen Leute von Brum erworben, insbesondere jener, die in Digbeth und in den Slums von Deritend lebten, so schien ihr letzter Nachkomme, der Erbe ihres ergaunerten Vermögens, fest entschlossen, ihnen durch seine Verschwendung innerhalb von nur einer Generation all das zurückzugeben, was ihnen im Zuge vieler Generationen gestohlen worden war.
Denn wer profitierte davon, dass Festoon sein Geld mit vollen Händen ausgab? Die einfachen Gewerbetreibenden, Kaufleute und Handwerker, deren Dienste er regelmäßig in Anspruch nahm. Ausnahmslos Hydden, alle aus Brum, alles Leute, deren handwerkliche Künste in jeder anderen Stadt von Hyddenwelt unter der Knute der Fyrd verkümmert und durch dumpfe Gleichförmigkeit ersetzt worden wären.
Doch in Brum blühten ihre Geschäfte wie nie zuvor, und für sie und die Familien, die sie ernährten, war Lord Festoon der geachtetste und beliebteste Herr und Gebieter von allen.
Lord Festoon mochte nur eine Marionette sein, aber ein Narr war er mit Sicherheit nicht: eine Tatsache, die er geschickt verschleierte, indem er seine beachtliche Intelligenz und umfassende kulturelle und historische Bildung unter den Scheffel stellte, wie auch seine Bereitschaft, sein Vermögen nicht nur für eigennützige Zwecke auszugeben, sondern auch für die Künste und Wissenschaften. Er fand Gefallen daran, jeden zu fördern, der mit seinen Fertigkeiten und schöpferischen Talenten seiner im Niedergang begriffenen Stadt zu neuem Ruhm verhelfen konnte.
Doch die wenigen, die ihn gut kannten und denen er sich anvertraute, wussten noch etwas anderes. Er
Weitere Kostenlose Bücher