Der Frühling - Hyddenworld ; 1
war, wie man sich den legendären Anhänger vorstellte, den Beornamund für Imbolc gefertigt hatte.
Unter Festoon hatte der Brauch einen bitter-süßen Beigeschmack bekommen. Denn wie hätte einer wie er, der so abstoßend fett und augenscheinlich der letzte Spross vom mittlerweile morschen Stamm der Avons war, einer Braut bedürfen und darauf erpicht oder gar imstandesein können, mit ihr ein Kind zu zeugen? Während also die meisten Leute klatschten und lachten, konnten diejenigen, die um die Geschichte des Brauches und seine Bedeutung wussten, den Anblick kaum ertragen.
Mit einem Wirbel großer Tibla-Trommeln aus der russischen Steppe und einem Tusch von Rohrhörnern wurde die Menge aufgefordert, an den Rändern der Orangerie Aufstellung zu nehmen. Erwartungsvolle Stille kehrte ein.
Für einen Augenblick wurde es stockdunkel. Dann flammten nacheinander Scheinwerfer auf und strahlten hell auf das Parkett, auf dem, Saltos schlagend, in rote Seide gekleidete Akrobaten erschienen. Sie verharrten kurz unbeweglich, dann wirbelten sie zwischen die Orangenbäume und wieder heraus und pflückten dabei Früchte, die sie hoch in die Luft schleuderten, sodass sie über alle Köpfe hinwegflogen und in den Händen von Jongleuren landeten, die sie sogleich im hohen Bogen zurückwarfen. So sausten sie im Saal hin und her und zerflossen im Scheinwerferlicht zu einem endlosen Strom von Farbe.
»Herrlich!«, rief der entzückte Festoon, so angetan von der Darbietung, dass er sich, über das ganze Gesicht strahlend, von seinem Thron erhob und so kräftig in seine fetten Hände klatschte, dass sein Bauch hin- und herschwabbelte, bis er, ermattet von dieser spontanen körperlichen Bestätigung, wieder auf seinen Sitz plumpste.
Dann, nach einem erneuten Tusch mit Trommelwirbel, begann die Menge zu klatschen, und ein grauhaariger Soldat, dessen Uniform der bunten, verwegenen Tracht burmesischer Banditen nachempfunden war, führte am Arm die erste Keusche Schwester herein.
Katherine amüsierte sich blendend. Sie war nie eine große Partygängerin gewesen, aber dieses Fest war mit Abstand das beste, das sie jemals besucht hatte. Ihre üblichen Vorbehalte hatten sich verflüchtigt, als Schwester Mary ihr die Haare noch kürzer geschnitten, Drogen verabreicht und eine schwarze Perücke übergestülpt hatte.
Irgendwie hatte sie sich auf der Party mit Schwester Mary zusammengetan, und da man in Gesellschaft mehr Spaß hatte, waren sie zusammen geblieben und hatten sich dem Tanzreigen angeschlossen, der die Keuschen Schwestern vor das Podest führte, auf dem Lord Festoon thronte.
Zu Anfang kümmerte sich Katherine kaum darum. Sie war wie berauscht von der Musik, den Kostümen, der Dekoration und den Kunststücken der Akrobaten um sie herum. Besonders staunte sie über einen Jongleur, der Rückwärtssaltos schlug und dabei mit Orangen jonglierte.
Als die Keuschen Schwestern endlich den Thron erreichten, sagte Katherine: »Das ist also Lord Festoon! Er sieht wirklich grässlich aus!«
»Einen wie ihn gibt es nicht noch einmal!«, kicherte Schwester Mary.
»Was soll ich denn tun, wenn er mich fragt … na ja … du weißt schon … Ich meine, muss ich wirklich …«
Sie lachten bei dieser noch grässlicheren Vorstellung.
»Eine solche Ehre darfst du nicht zurückweisen … aber in Wirklichkeit geschieht ja gar nichts. Du bekommst einen goldenen Anhänger, den du behalten darfst, und dann musst du dich auf seinen Schoß setzen, weiter nichts.«
»Igitt!«, sagte Katherine. »Ich möchte nicht in seine Nähe kommen.«
»Du wirst sowieso nicht auserwählt, denn er bevorzugt Kleine wie mich, du kannst also unbesorgt sein.«
»Das bin ich«, erwiderte Katherine, rückte ihre Perücke zurecht und betete, dass Jack tausend Meilen weit weg und in Sicherheit war. »Mehr oder weniger.«
»Ich auch«, sagte Mary. »Aber meiner Familie würde es nicht gefallen, wenn die Wahl auf mich fallen würde. Sie will weiter an meine Unschuld glauben.«
»Ganz genau! Du sollst keusch sein.«
Mary grinste wissend.
»Bin ich doch auch«, sagte sie, »mehr oder weniger.«
Wieder lachten sie, wie alle anderen, jubelten, scherzten und hakten sich bei anderen Schwestern unter. Dabei waren sie sich sehr wohl bewusst, dass jetzt alle Augen auf sie gerichtet waren und dass die Männer in der Menge, besonders die oben beim Hochaltermann, mit dem Finger auf verschiedene von ihnen zeigten und sich ein Urteil zu bilden suchten, welche wohl die würdigste
Weitere Kostenlose Bücher