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Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Titel: Der Frühling - Hyddenworld ; 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Erinnerung an ihre Begegnung im Nebel auf dem Waseley Hill.
    Die meisten Elfjährigen trugen gewöhnliche Kleidung: ein Paar kurze Hosen etwa, irgendeine leichte Jacke und ganz normale Stiefel. Das Auffälligste an ihnen war gewöhnlich der Knüppel, den alle mit sich führten und an dem verschiedene Abzeichen und Wappen angebracht waren, die Auskunft darüber gaben, aus welcher Stadt oderOrtschaft sie kamen, welcher Bande sie angehörten und sogar wie vermögend ihr Elternhaus war.
    Stort sah ganz anders aus. Sein Anzug war so altmodisch, dass Imbolc in Gedanken bis ins späte neunzehnte Jahrhundert zurückreisen musste, ehe ihr jemand einfiel, den sie dergleichen hatte tragen sehen, und das war ein Menschenprofessor gewesen, der Wanderurlaub in den Alpen gemacht hatte. Der Anzug bestand aus Jacke, Hose und Weste, an denen ein Großteil der Knöpfe fehlte und deren grüner Tweedstoff so kratzig aussah, dass er geeigneter schien, Töpfe damit zu scheuern, als den Körper zu bedecken. Alles war offensichtlich selbstgeschneidert. Die Nähte waren krumm und lose und die beiden Jackenärmel von leicht unterschiedlicher Länge.
    Ich glaube, er hat ihn selbst gemacht!,
dachte Imbolc überrascht.
    Die unzähligen Taschen beulten sich von ihrem Inhalt. Aus einer quoll ein aufgerolltes, schmales Stück Autoreifen, aus einer anderen kunststoffummantelter Draht. Ein kurzer roter Gummischlauch, der irgendwie medizinisch anmutete, leistete einem Computerbauteil Gesellschaft, und zu diesem Pärchen wurde nun der schwarze Müllsack gestopft.
    Die Schiefertafel, die Pike vorhin erwähnt hatte, ragte zusammen mit gespitzten Griffeln menschlicher Herkunft aus der Brusttasche der Weste, während eine klobige Silberkette, die sicherheitshalber durch ein Knopfloch am Revers gezogen worden war, in einer Westentasche verschwand, wo sie zweifellos in eine Uhr mündete. Weiter kam Imbolc in ihren Beobachtungen nicht, denn plötzlich begann der Junge zu sprechen, und seine Stimme klang dringlich.
    »Wir müssen hier raus«, drängte er. »Äh, bald.«
    Mister Pike ging zu ihm, und sie sprachen leise miteinander, wobei Stort merkwürdig fahrig gestikulierte, während Pike nickte und immer finsterer dreinblickte.
    Dann drehte sich der Knüppelmann zu ihnen um. »Wenn Master Stort ›bald‹ sagt, meint er ›sofort‹! Das bedeutet, wir müssen auf der Stelle abrücken.«
    »Wohin denn?«, fragte einer von den anderen.
    »Nach oben«, antwortete Pike knapp. »Auf die Brücke.«
    »Aber da oben ist es kalt, und wir werden nass«, protestierte ein anderer.
    »Hier unten wird Ihnen bald noch kälter werden, denn Sie werden tot sein«, gab Pike zurück.
    Darauf zogen alle um. Eilends.
    Alle bis auf Bedwyn Stort. Seltsamerweise rührte er sich nicht von der Stelle und starrte Imbolc an.
    »Sind wir uns schon einmal begegnet?«, fragte er stirnrunzelnd.
    »Ja«, antwortete Imbolc, »aber da habe ich ein wenig anders ausgesehen.«
    Er kam näher, blickte ihr forschend in die Augen, dann auf den Anhänger an ihrem Hals. Sonst trug sie ihn verborgen, doch irgendwie war er herausgerutscht und ruhte nun gut sichtbar auf ihrer Jacke. »Die alte Frau auf dem Waseley Hill«, sagte er schließlich. Nur sehr wenigen Sterblichen war es vergönnt, diesen Zusammenhang herzustellen.
    »Ganz recht«, gab sie zu.
    »Sie sind die Friedensweberin!«, platzte er vor lauter Aufregung über seine Entdeckung heraus.
    »Tatsächlich?«
    »Es hat den Anschein«, sagte Stort. »Dieselben Augen und derselbe Anhänger. Jetzt sollten Sie aber die Unterführung verlassen. Hier ist niemand mehr sicher.«
    »Danke für den Rat, Master Stort«, sagte sie.

13
EINE ENTSCHEIDUNG
    Z weihundert Meilen weiter nördlich fuhr Clare Shore auf den Parkplatz des Ärztezentrums von Thirsk, in dem ihr Mann Richard als Assistenzarzt arbeitete.
    Es war ein Freitag, und Richard wollte heute früh Schluss machen, damit sie vor Einsetzen des Wochenendverkehrs ihre Fahrt nach London antreten konnten, wo sie am nächsten Tag auf eine Hochzeit eingeladen waren. Mit etwas Glück brauchten sie für die Fahrt nur drei Stunden und waren am frühen Abend im Haus ihrer Freunde, bei denen sie übernachten wollten.
    Doch als Clare aus dem Wagen stieg, verfinsterte sich der Himmel, der schon den ganzen Tag dunkel und bedrohlich war, und der erwartete Regen setzte ein.
    »Wir müssen rennen«, beschloss sie und fasste Katherine, ihre fünfjährige Tochter, bei der Hand. Keuchend und lachend kamen sie drinnen

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