Der Frühling - Hyddenworld ; 1
hinter sich gelassen und fuhren auf einer Landstraße. Der Himmel war jetzt schmutzig grau. Von Zeit zu Zeit wurde er von Wetterleuchten erhellt.
»Habt keine Angst!«, rief Richard seinen Mitfahrern zu.
Clare blickte nach hinten. »Sie haben keine Angst, sie sind fasziniert«, sagte sie, als sie sich wieder nach vorn drehte, mit leiser Stimme.
Kurze Zeit später zuckte ein Blitz, und krachender Donner ließ den Wagen erzittern.
Katherine sperrte den Mund auf, Jack machte große Augen. Schon prasselte der Hagel auf die Straße nieder. Im Auto dröhnte es, als würde eine Wagenladung Kieselsteine auf das Dach gekippt. Richard konnte gerade noch in eine Parkbucht fahren, bevor der Scheibenwischer der golfballgroßen Hagelkörner nicht mehr Herr wurde und streikte.
Das Prasseln war ohrenbetäubend, und Clare fürchtete, dass die Windschutzscheibe zu Bruch gehen könnte. Die weißgrauen Klumpen bedeckten schon die untere Hälfte der Scheibe. Auf den Pfosten des Holzzauns, neben dem sie standen, bildeten sich Hüte aus Hagelkörnern.
Einen Moment lang fühlten sie sich wie in eine andere, von Eis eingeschlossene Welt versetzt. Dann fiel ein Lichtstrahl schräg durch die Windschutzscheibe, ließ die Pfosten aufleuchten. Ein entgegenkommender Wagen!
Richard schaltete den Scheibenwischer wieder an und fuhr, sowie die Scheibe frei war, auf die Fahrbahn zurück.
Die Scheinwerfer kamen durch den Regen direkt auf sie zu. Das entgegenkommende Auto fuhr auf der falschen Straßenseite!Richard trat so abrupt auf die Bremse, dass alle nach vorn in die Sicherheitsgurte flogen. Der Wagen raste nur Zentimeter an ihnen vorbei und verschwand wieder im Dunkel der Nacht.
»Das war knapp«, murmelte Richard beklommen. »Sehr knapp.«
»Fahr vorsichtig«, sagte Clare, die als Beifahrerin normalerweise keine besserwisserischen Kommentare abgab, jetzt aber ein mulmiges Gefühl hatte – genau wie Jack.
»Bitte.«
Während Richard den Wagen langsam auf die Straße zurücksteuerte, blickten sie ein letztes Mal zu den Zaunpfosten, auf denen sich Hagelkörner aufgehäuft hatten. Von den Eishüten war nur tropfendes Wasser geblieben, das sich im Schein der Rücklichter blutrot färbte.
»Merkwürdig«, sagte Richard, als sie die Fahrt schließlich fortsetzten.
15
AUF WACHE
A uf Storts Warnung hin waren Master Brif, Imbolc und die anderen auf die Brücke hinaufgeklettert, obwohl sie dort oben klatschnass wurden.
»Wozu bleiben wir überhaupt hier?«, fragte einer der Männer. »Hier geschieht doch eh nichts.«
»Weil Master Stort es so wünscht«, erwiderte Pike, der sich als Einziger nicht hinkauerte, um sich vor dem Regen zu schützen. Stets wachsam und auf der Hut, behielt er auch im Dunkeln alles im Auge. Er spürte, dass Gefahr drohte, und so blieb er aufrecht stehen, damit er leichter nach allen Seiten spähen konnte.
Was befürchtete er? Dass eine Patrouille der Fyrd sie entdeckt und verfolgt haben könnte und sie womöglich auch jetzt noch beobachtete, obwohl sich bei einem solchen Wetter wahrscheinlich sogar Fyrd unterstellten. Englalond stöhnte seit langem unter der Gewalt der Fyrd, die das Land im Auftrag der Sinistral regierten.
Fyrd!
Zahlreich waren die schwermütigen Lieder der Hydden, in denen über die Fyrd geklagt wurde, und zahlreich die braven und redlichen Leute, die, um mit den Dichtern zu sprechen, von den Fyrd vom Leben zum Tode gebracht worden waren.
Pike war sich sehr wohl bewusst, dass ein Ausflug wie der ihre streng verboten war. Sie hatten sich im Schutz der Nacht aus Brum hinausgeschlichen, um von den Hütern der Hyddenstadt, wie diese sich ironischerweise selbst nannten, nicht bemerkt zu werden. Kein leichtes Unterfangen für einen Hydden von Brifs Stellung, und mit Sicherheit wurde er bereits vermisst.
Darum hielt Pike im Regen Wache und blickte drohend in die Runde. Sein Blick wanderte hinüber zu Bedwyn Stort, der wieder in seinem Müllsack steckte, weiter zu den anderen Knüppelmännern, die vor Nässe trieften, dann zu Brif, der im Regen kauerte wie einFels in der Brandung, und schließlich zu der fahrenden Händlerin, die, wie er längst erraten hatte, weit mehr war, als es den Anschein hatte. Er lehnte sich an die Brüstung der Brücke, kniff zum Schutz vor Wind und Regen die Augen zusammen und reckte das Gesicht, das vor Nässe glänzte, wenn ein Blitz es erhellte, nach vorn.
So spähte er die nahezu unsichtbare Straße entlang.
Hier war etwas faul.
Er ging ruhig zu den anderen Männern und
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