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Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Titel: Der Frühling - Hyddenworld ; 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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der Fahrer von Jacks Taxi.
    Sie fuhren auf einer doppelspurigen Schnellstraße bergab durch einen steilwandigen Durchstich in den Kreidehügeln, deren Flanken die weite Fläche des Vale of Oxfordshire umschlossen, das sich vor und unter ihnen erstreckte.
    Jack erschien der Durchbruch wie ein Tor in eine andere Welt, da er mit ländlichen Gegenden wie dieser bisher keinerlei Erfahrung hatte.
    Im ersten Moment fragte er sich, warum sich der Fahrer überhaupt bemüßigt fühlte, eine Landschaft zu kommentieren, die so platt und nichtssagend aussah.
    Dann aber zog es ihn hinein, wie zu Beginn eines Films, wenn sich die leere Leinwand füllt, die Handlung beginnt und alles andere vergessen macht. Vielleicht lag es an dem diesigen, blauen Horizont, vielleicht an einigen Details, die er erst nach und nach wahrnahm: ein altes Farmhaus hier, ein Kirchturm dort, und dann das silbrig glitzernde Band eines Flusses, in dem sich der Himmel spiegelte und dessen Windungen sich schon fast in der Ferne verloren, ehe er ihn bemerkte.
    Im Weiterfahren dämmerte Jack, dass er wohl zu lange in der Großstadt gelebt hatte. Nie zuvor hatte er eine so üppige Landschaft gesehen, jedenfalls nicht diese Art von Landschaft. Beschauliche Dörfer, gepflegte Hecken, wellige Felder und Baumgruppen, deren Blätter sich bereits goldbraun färbten, dahinter ausgedehnte schattige Wälder, die zum Erkunden und Entdecken einluden.
    »England kann wunderschön sein«, murmelte der Fahrer, als habe er mitbekommen, was ihm durch den Kopf ging.
    Jack konnte dem nur zustimmen. Die Befürchtungen, die er hinsichtlich dieser Fahrt gehegt hatte, legten sich etwas und wichen einer neuen Erregung. Er mochte diesen Teil Englands noch nie gesehen haben, doch er erinnerte ihn an seinen kurzen Aufenthaltals Kind in den North Yorkshire Moors und, sehr vage, an einen anderen Ort, der noch tiefer in seinem Gedächtnis vergraben lag. Berge, schneidend kalte Luft und Blicke über tiefe Täler. Diese Erinnerung erfüllte ihn mit einer unruhigen Sehnsucht, die er sich nicht erklären konnte, die jedoch bewirkte, dass er sich so lebendig fühlte wie seit langem nicht mehr.
    »Allerdings«, setzte der Fahrer hinzu, »verschandelt das Ding da drüben ein wenig die Landschaft.« Er deutete auf sechs große Kühltürme zu ihrer Linken, aus denen dichter weißer Dampf in den Himmel quoll.
    »Was ist das?«, fragte Jack.
    »Das Kraftwerk Didcot, das größte seiner Art in Europa. Spuckt weiß Gott was in die Luft. Wir kommen nachher dran vorbei, dann kannst du es dir genauer ansehen. Wir biegen gleich ab … Oh je, zu früh gefreut, wie üblich!«
    Im Autoradio hatte sich automatisch der Verkehrsfunk eingeschaltet, und der Fahrer drehte lauter, damit er mithören konnte. Unterdessen kam der Verkehr fast zum Stillstand, während in der Durchsage vor Staugefahr unmittelbar hinter der Ausfahrt 6 gewarnt wurde, hervorgerufen durch ein Hindernis auf der Fahrbahn irgendwo weiter vorn. »Kein Problem«, sagte der Fahrer erleichtert. »Die Ausfahrt nehmen wir sowieso. Mit etwas Glück bleibt uns das Schlimmste erspart.« Er zwinkerte Jack von der Seite zu und drückte auf einen Knopf an seinem Headset.
    »Mal sehen, ob ich herausfinde, was der Grund für die Behinderung ist.«
    Er lauschte eine Weile dem Funkverkehr zwischen Militärfahrern, in den er eingeklinkt war, dann schaltete er das Headset wieder stumm. »Hat man so was schon erlebt! Anscheinend läuft da ein Pferd auf der Autobahn herum, und bis sie es einfangen haben, bleibt die Straße gesperrt. Hoffentlich dauert … nein, alles in Ordnung, es geht weiter.« Der Verkehr vor ihnen setzte sich wieder in Bewegung. Kurze Zeit später bogen sie links in die Ausfahrt ab und fuhren nach Süden, wobei sie die Autobahn rasch hinter sich ließen.
    »Hätte schlimmer kommen können. Sie haben das Pferd wohl eingefangen.«
    Von wegen eingefangen. Das Pferd musste ihnen entwischt sein,denn Jack sah es durch eine Lücke in der Hecke zu seiner Rechten und auch danach noch ein paar Mal. Es galoppierte neben ihnen her und hielt mit dem Wagen Schritt, sein Fell ein wogender weißgrauer Schimmer wie der Himmel selbst.
    Er verlor es für ein oder zwei Minuten aus den Augen, als die Straße eine Kurve machte, dann wich die Hecke einem gewöhnlichen Drahtzaun, und er sah es wieder, ganz deutlich, weiter weg jetzt, aber immer noch herrlich. Es änderte die Richtung und kam näher, entschwand wieder kurz den Blicken und tauchte dann, den Kopf

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