Der Fuenf-Minuten-Philosoph
wenn wir eine Zeit lang tatsächlich wahrhaft glücklich sein können, ist fraglich, ob sich dieses Glück dauerhaft hält. Denn selbst bei den positivsten Einstellungen bewältigen nur wenige alle neuen Umstände, die unser Glück bedrohen.
----
»Glückseligkeit ist der Sinn und der Zweck des Lebens, dem das ganze Tun und Trachten des menschlichen Seins gilt.«
Aristoteles (384–322 v. Chr.)
----
Was den Einzelnen glücklich macht, ist gewöhnlich persönlich und subjektiv. Manche sind, unabhängig von den äußeren Umständen, ständig glücklich, während andere nur kurze Augenblicke des Glücks genießen. Aber die Bedingungen des Glücks zeigen gemeinsame Züge. Die ständig Glücklichen verdanken diesen Zustand wahrscheinlich einer Veranlagung und neigen nicht zur Besorgnis. Sie sind zuversichtlich und lebensbejahend, leben ganz im Augenblick und setzen nicht nur auf Verstand und Intelligenz, sondern auch auf Intuition. Sie sind klug genug, um zu wissen, dass Dinge sich ändern können, weshalb sie Rückschläge nicht unvorbereitet treffen. Und sie zeigen in schwierigen Lebenslagen Widerstandskraft. Das Glück kommt leichter zu denen, die nicht zu materialistisch und gierig sind und sich mit einem einfachen Auskommen begnügen. Ihnen sind Familie und Freunde wichtiger. Und ihr Lebenssinn knüpft sich häufig an ihren Beruf.
Viele sehen ihr Glück in religiösen Überzeugungen. Auch in schwierigen Lebenslagen spendet ihnen der Glaube, dass ihr Gott sie mit seiner Stärke und Barmherzigkeit stützt, inneren Frieden. Ähnliche Kraft beziehen andere aus einer stillen Besinnung. Sie bauen ihr Glück auf eine Unabhängigkeit, die in der hinduistischen Schrift ›Manusmriti‹ (Die Gesetze des Manu) so beschrieben wird: »Verlasse dich nicht auf andere, sondern stütze dich auf dich selbst. Wahres Glück entspringt aus Selbstvertrauen.«
Natürlich können wir nicht immer glücklich sein. Zeitweise haben wir Gründe zur Trauer, zum Zorn, zur Enttäuschung, zur Frustration oder zur Unpässlichkeit, weshalb wir auf alles und jeden negativ reagieren. Manche richten sich rasch, andere erst allmählich wieder auf. Drei Mittel können unser Glück steigern: erstens, mehr lächeln, weil lächeln bisweilen sogar dann die Stimmung hebt, wenn wir uns nicht glücklich fühlen; zweitens für das dankbar sein, was wir sind und haben; und drittens, uns nützlich machen, zum Beispiel im Dienst an anderen, die weniger glücklich sind als wir. In seinem ›Versuch über den menschlichen Verstand‹ , der 1690 erschien, schrieb der englische Philosoph John Locke (1632–1704), dass »die höchste Perfektion der geistigen Natur in einem sorgfältigen und ständigen Streben nach wahrem und solidem Glück besteht«. Dieser Gedanke floss in die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten ein, wo unter den unveräußerlichen Souveränitätsrechten des Menschen »Leben, Freiheit und das Streben nach Glück« aufgelistet sind.
Kann Hoffnung eine gefährliche Täuschung sein?
»Aber was ist Hoffnung?«, fragte der englische Dichter Lord Byron (1788–1824) rhetorisch. »Nichts als die Schminke auf dem Antlitz der Existenz. Das geringste Streifen der Wahrheit reibt sie herunter. Dann sehen wir, an welch hohlwangige Hure wir geraten sind.«
Ungeachtet der Skepsis Byrons besteht Hoffnung für viele in dem Glauben, dass die kurz- oder langfristigen Vorhaben, mit denen sie sich gerade befassen, schließlich doch zu einem guten Ende kommen, insbesondere, wenn das Ziel bedroht oder schwierig zu erreichen ist. Der Zuversicht entspringend, ist Hoffnung eine geistige Verfassung, die ein Gefühl der Vorfreude und des Wohlbehagens auslöst. Als eine positive Haltung durchwirkt sie das Gewebe unserer Persönlichkeit. Aber so stark Hoffnung auch sein mag, sie kann durch einen Hauch Besorgnis getrübtwerden oder mit dem Bedürfnis einhergehen, einzuschätzen, wie realistisch sie ist. Paulus hebt in seinem ersten Brief an die Korinther die »Hoffnung« als eine der wichtigsten und dauerhaftesten menschlichen Eigenschaften hervor: »Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.« (13, 13.)
Eine unrealistische Hoffnung kann sich allerdings – wie auch ein trügerischer Glaube oder bestimmte Formen der Liebe – als gefährliche Täuschung erweisen. Wie Glaube und Liebe bedarf die Hoffnung, damit sie bestens trägt, eines gewissen Maßes an Reife. Ausreichend Lebenserfahrung muss uns
Weitere Kostenlose Bücher