Der Fuenf-Minuten-Philosoph
von Evolutionsbiologen und Physikern. So schrieb beispielsweise Richard Dawkins über das »Egoismus-Gen«, es sei das Molekül, das uns alle »versklavt«. Alles, was zähle, sei sein Durchhaltevermögen. Unser Körper und unser Geist seien »Überlebensapparate« unserer Gene, und unser Tun und Trachten werde durch sie bestimmt. Auch Einstein glaubte an eine umfassende Determinierung: »Wir alle tanzen nach einer geheimnisvollen Melodie, die ein unsichtbarer Spieler in den Fernen des Weltalls anstimmt.«
Aber die Vorstellung von einer solchen Programmierung, so unumstößlich sie erscheinen mag, beinhaltet nicht die ganze Geschichte. Wie viele Fragen, die sich vor dem Hintergrundeines wissenschaftlichen Absolutismus stellen, kann auch die des freien Willens differenziert betrachtet werden. Der Standpunkt ist möglich, dass unsere DNS uns notwendigerweise so programmiert, dass wir innerhalb eines breiten Bezugsrahmens unseren freien Willen ausüben. Wenn wir beispielsweise sagen, dass wir unsere Meinung in einer Sache deshalb geändert haben, weil dies so vorherbestimmt war, dann wird dies zur reinen Gedankenspielerei. Dass unser Äußeres, unsere Persönlichkeit und unsere Veranlagungen auch durch Erbanlagen festgelegt sind, kann niemand bezweifeln. Aber unsere Beziehung zur Umwelt, unsere Erziehung, unser Wissen und unsere Erfahrungen schaffen eine so komplexe Matrix, dass es ausreichend realistisch erscheint, dass wir innerhalb dieser einen freien Willen ausüben können und es völlig sinnlos wäre, hier Einschränkungen vorzunehmen. Vielleicht kommt die von Arthur Schopenhauer (1788–1860) getroffene Unterscheidung der Wahrheit näher: »Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.«
Was ist der menschliche Geist?
Das Wort »Geist« gehört wie »gut«, »Seele« und »Schönheit« zu den Begriffen, die ein besonders breites Bedeutungsspektrum entfaltet haben, seitdem sich die griechischen Philosophen mit den dahinterstehenden Sachverhalten befassten. Für die frühen Philosophen stand nous, das griechische Wort für »Geist«, für Wissen oder Vernunft, bei Platon für den rationalen – aber auch unsterblichen und ewigen – Teil der Seele und bei Aristoteles für den aktiven und den passiven Aspekt des Intellekts. Den Geist isoliert zu betrachten, macht wenig Sinn, weshalb sich die abendländische Philosophie denn auch stets auf die Frage konzentrierte, wie er mit dem Körper zusammenhänge – ob er unabhängig von diesem existieren und funktionieren könne und vielleicht den Teil oder Aspekt des Menschen darstelle,der über den Tod hinaus Bestand habe. Unabhängig von der Art dieser Beziehung ist der Geist jedenfalls mit dem Denken verbunden: Er ist der »Ort«, an dem wir Erfahrungen sammeln und verarbeiten.
Für René Descartes war der irreduzible Wesenskern des Einzelnen das Bewusstsein, für welches das Denken den Beweis lieferte. Dass dieses Bewusstsein das einzige Gewisse war, drückte Descartes in dem viel zitierten Satz aus: »Ich denke, also bin ich.« Der Philosoph und Mathematiker erkannte nicht nur das Denken als das Wesentliche des menschlichen Lebens, er erkannte auch das Sein der materiellen Dinge an, die selbst nicht denken. Wenn wir über sie nachdenken, bestätigt dies allerdings noch nicht, dass sie tatsächlich existieren. Descartes unterschied zwischen der res cogitans (dem »Denkenden« oder Geistigen) und der res extensa (dem »Ausgedehnten« oder Körperlichen), eine Unterscheidung, die heute als der Cartesianische Dualismus bekannt ist. Im Anschluss daran versuchten sich die meisten Philosophen an einer Aussöhnung dieses scheinbar unversöhnlichen Gegensatzpaares. So vertrat Baruch de Spinoza (1632–1677) den Standpunkt, dass das Mentale und das Physische nur zwei Aspekte derselben zugrunde liegenden Realität seien. Wenn auch unter anderen Voraussetzungen, ist es ein wesentliches Bestreben der östlichen Religionen, diesen Dualismus zu überwinden: Unser Bewusstsein von der Welt gilt ihnen als Illusion, womit eine Unterscheidung bedeutungslos wird.
Ein zentrales Thema ist die Beziehung zwischen Geist und Körper auch für die Psychologen. Sie sehen den Geist als das Mittel an, das uns zur Wahrnehmung, Erfahrung und Kommunikation befähigt – als unser einziges Mittel, denn wir können unseren Geist ja nicht verlassen. Die »Psyche« ist für Psychologen ein hochkomplexer Apparat, dem all unser Denken und Verhalten entspringt. Als die
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