Der Fuenf-Minuten-Philosoph
»Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« –, weil die Sünden des Fleisches das ewige Leben der Seele bedrohen. Deswegen muss der Leib gemaßregelt und gezüchtigt, müssen seine Gelüste bezwungen werden, damit der Geist gedeihen und erlöst werden kann.
Ob es Belege für die Existenz von Geistern – von Gespenstern und Ähnlichem – gibt, kann hier ebenso wenig erörtert werden wie Fragen um den Heiligen Geist, diesen Dritten im Bunde der christlichen Dreifaltigkeit. Getreu dem Buch Genesis der Bibel wurde dem Menschen der Geist als sein Kennzeichen gleich bei seiner Erschaffung eingehaucht: »Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.« Diese Vorstellung ähnelt dem vedischen prana, dem Lebenshauch. Im Animismus und im Pantheismus, den frühesten Glaubenssystemen, war alles, die belebte wie die unbelebte Natur, von einem Geist beseelt. In diesem umfassenderen Sinn bekennen sich viele zum Glauben an eine »Lebenskraft«, welche die physischen Formen, in die sie eingeschlossen ist, zu transzendieren scheint. So schrieb der persische Mystiker Dschalal ad-Din ar-Rumi (1207–1273): »Ob Christ, Jude, Muslim, Schamane, Zoroastrier, Stein, Boden, Berg, Fluss – jeder hat einen geheimen Weg, am Mysterium teilzuhaben.«
Wenn man über jemanden sagt, dass er »Geist hat«, meint man damit auch, dass er witzig und unterhaltsam ist. Jemanden als spirituelle Person zu bezeichnen, heißt dagegen, dass er wie Hegels »absolutes Selbst« nach einer Reise über sich selbst hinaus zu sich selbst zurückgekehrt ist. Auch wenn der Begriff »Geist« am besten im metaphorischen Sinn verwendet wird, ist er nicht weniger bedeutungsstark wie die Begriffe »Denken« oder »Vorstellungskraft«.
K önnen wir in Ansätzen verstehen, was »Gott« bedeutet?
Als größtes Hindernis steht unserem Verständnis, was oder wer »Gott« sei, der Begriff an sich entgegen. Er bedeutet quer durch alle religiösen Traditionen und Kulturen für unzählige Menschen so viele unterschiedliche Dinge, dass er letztlich bedeutungslos ist. Für Atheisten ist der Begriff »Gott« sinnlos, weil er eine Vorstellung ausdrückt, für die es in der Realität keine nachprüfbare Entsprechung gibt. Überraschenderweise meinte der Religionsphilosoph Martin Buber (1878–1965), der Atheist, der aus seiner Dachluke blicke, sei Gott oft näher als der Gläubige, der in seinem falschen Bild von Gott befangen sei. Angesichts all der irrigen Vorstellungen, gewundenen Erklärungen in der Glaubenslehre, der theologischen Klimmzüge, und des philosophischen Schwadronierens kommt der Gebrauch des Wortes »Gott«, wenn man damit etwas Wesentliches sagen will, fast einer Gotteslästerung gleich. Nach Bubers Ansicht ist »Gott« das »beladenste aller Menschenworte. Keines ist so besudelt, so zerfetzt worden«. Er meinte, das Wort sei so sehr entstellt worden, dass das eine »Gottesfinsternis« heraufbeschworen habe. Doch eben deshalb wolle er nicht darauf verzichten.
Der Theologe und Religionsphilosoph Paul Tillich kam der Bedeutung des Wortes »Gott« näher als viele andere mit seiner Auffassung, dass es unseren »Seinsgrund« darstelle. So wird zumindest versucht, dem Begriff etwas zurückzugeben, das jedermann teilen kann, eine gemeinsame Grundlage, auf dem sich Weiteres aufbauen lässt. Das Problem liegt darin, dass die Geschichte hindurch wegen der subtilen und grundlegenden Unterscheidungen, auf denen die Theologen ihre gegensätzlichen Gotteskonstrukte errichteten, Glaubenskriege geführt, Missionen gestartet und Inquisitionsverfahren geführt wurden, die Leiden und Tod über die Menschheit brachten. Wenn wir diese verschiedenen Auffassungen davon, wer oder was Gott sei, betrachten, erkennen wir unschwer, dass wir Gott nach unserem Ebenbild geschaffen haben. Viele verstehen an diesem Punktdie Frustration des Schriftstellers Rudyard Kipling: »Die Drei in Einem, der Eine in Drei? Nichts da! Ich gehe zu meinen eigenen Göttern. Womöglich behagen sie mir mehr als euer kalter Christus und eure verworrene Dreifaltigkeit.«
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»Der Gott des theologischen Theismus ist ein Wesen neben anderen und als solches ein Teil der gesamten Wirklichkeit. Er wird zwar als deren wichtigster Teil betrachtet, aber doch als ein Teil und deshalb als der Struktur unterworfen … Er wird als ein Selbst betrachtet, das eine Welt hat, als ein Ich, das auf ein Du bezogen
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