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Der Fuenf-Minuten-Philosoph

Der Fuenf-Minuten-Philosoph

Titel: Der Fuenf-Minuten-Philosoph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Benedict
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weil dieser ihre historischen und dogmatischen Unterschiede transzendiert. Die Mystik, sagt der Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel (*   1928), sei »ein Weg, Wissen zu erlangen. Sie steht der Philosophie nahe, nur dass man in der Philosophie horizontal vorgeht, während man in der Mystik vertikal verfährt.«
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    »Eine Untersuchung zu den Pflichten von Christen, um Mittel zur Bekehrung der Heiden einzusetzen.«
    William Carey (1761–1834)
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Warum versuchen Religionen, Menschen zu bekehren?
    Für Christen besteht der »Missionsbefehl« in der Anweisung Jesu an seine Apostel: »Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern.« (Mt 28,   19–20) Kraft dieser wenigen Worte wurde das Christentum später zur Staatsreligion des Römerreichs, von dem aus es sich dann über die gesamte Welt ausbreitete. Das Judentum geht davon aus, dass über den Bund, den Gott mit Noah schloss, auch Nichtjuden zu ihm eine vollwertige Beziehung haben. Deshalb gibt es keinen Grund, sie zum Judentum zu bekehren. Andererseits bemühten sich alle bedeutenden Religionen der Welt darum, ihre Botschaft möglichst weit in die Welt hinauszutragen. Die Mission des Islam besteht neben der Bekehrung der Menschen auch darin, einen weltweiten islamischen Staat zu errichten. Der Auftrag dazu ist wie im Christentum in der Schrift, dem Koran, als Anweisung Allahs formuliert: »Sagt die Wahrheit von euerm Herrn; und lasst den, der will, glauben, und den, der nicht will, nicht glauben.« (18, 29) Aber wie die Geschichte zeigt, beruhen solche Bekehrungen nicht immer auf freien Entscheidungen.
    Die Stifterfigur einer Religion erteilt einen »Missionsbefehl« in der Annahme, dass deren Lehre ein Monopol auf die Wahrheitbesitze. Jesus nahm für sich in Anspruch, er sei »der Weg und die Wahrheit und das Leben«, und drückte es in Folgendem noch exklusiver aus: »Niemand kommt zum Vater außer durch mich.« (Jh 14,   6) Eine ähnliche Autorität verleiht Allah dem Islam, wie es mit Blick auf den Koran heißt: »Und in Wahrheit haben wir ihn [den Koran] hinabgesandt, und in Wahrheit stieg er hinab.« (17,105) Der islamische Weg gilt als »die offenkundige Wahrheit.« (27,79) Offiziell Berufene oder freiwillige Laien, die ein missionarisches Werk betreiben, müssen die Überzeugung teilen, dass sie etwas Einzigartiges vertreten, das nicht hinterfragt werden kann. Einem solchen Missionsbefehl kann man sich kaum entziehen, ohne vom Glauben abzufallen.
    Kurz gesagt, streben Religionen danach, andere zu bekehren, weil ihre Anhänger dies als ihre bindende religiöse Pflicht ansehen. Aus ihrer Sicht sind alle Andersgläubigen fehlgeleitet. Weil das ewige Leben der umnachteten »Heiden« auf dem Spiel steht, bedeutet es einen höchsten Dienst, sie zur »Wahrheit« zu bekehren. Die Zwiespältigkeit der Mission können dabei zwei Anekdoten veranschaulichen, von denen die erste von Erzbischof Desmond Tutu (*   1931) stammt: Als die Missionare nach Afrika kamen, »hatten sie die Bibel und wir, die Urbevölkerung, das Land. Sie sagten: ›Lasst uns beten.‹ Und wir schlossen pflichtschuldig unsere Augen. Als wir sie wieder öffneten, hatten sie – warum? – plötzlich das Land und wir die Bibel.« Die zweite Anekdote stammt von der Dichterin und Pulitzer-Preisträgerin Annie Dillard (*   1945). »Eskimo: ›Wenn ich nichts von Gott und der Sünde wüsste, würde ich dann in die Hölle kommen?‹ Priester: ›Nein, nicht, wenn du davon nichts wüsstest.‹ Eskimo: ›Warum hast du es mir dann gesagt?‹«
Warum werden Menschen Fundamentalisten?
    Der Fundamentalismus verursacht bis heute besonders blutig ausgetragene Konflikte in der Welt. Fundamentalismus kannreligiös wie politisch motiviert sein, aber da, wo er religiös motiviert ist, gewinnt der Streit fast immer auch politische Züge. Alle Religionen haben einen harten Kern an fundamentalistischen Anschauungen. In den extremsten Formen gründet sich dieser auf die Überzeugung, dass die heiligen Schriften – sei es die Bibel, der Koran oder andere – sakrosankt seien und kompromisslos wörtlich gedeutet werden müssten. In den Vereinigten Staaten haben sich in Opposition zum Säkularismus und Liberalismus als Gegenbewegung militante evangelikale Strömungen entwickelt. Diese christlichen Fundamentalisten gibt es in so großer Zahl, dass sie etwa bei Präsidentschaftswahlen als möglicherweise ausschlaggebend gelten. Ähnliche Bewegungen finden sich im Islam mit dem

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