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Der Fuenf-Minuten-Philosoph

Der Fuenf-Minuten-Philosoph

Titel: Der Fuenf-Minuten-Philosoph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Benedict
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Wechselbeziehung von Freiheit und Verantwortung wird im Buddhismus großgeschrieben: »Tatsächlich wird Böses von einem selbst begangen. Durch einen selbst wird man befleckt. Durch einen selbst bleibt Böses ungeschehen. Durch einen selbst wird mangereinigt. Reinheit und Unreinheit hängen von einem selbst ab. Keiner reinigt den anderen.«
    Wir können das sogenannte »Böse in der Natur« – Feuer, Erdbeben, Krankheit, Hunger, Pest usw. – erklären, aber in der Frage, warum Menschen anderen Leiden verursachen, stehen wir vor einem unlösbaren Rätsel. Einer psychologischen Hypothese zufolge soll Grausamkeit einem angeborenen Bedürfnis nach Kontrolle und Herrschaft entspringen. Als ein Urinstinkt soll es hinter dem Jagdtrieb und dem Drang nach Eroberung eines Territoriums stehen und sich auch in religiösen Anschauungen widerspiegeln, die sich in Tier- und Menschenopfern niederschlugen. Hinter der Grausamkeit stecke die Gier nach Macht, erklärte Leo Tolstoi (1828–1910): »Um Macht zu erringen und zu behaupten, muss man Macht lieben. Aber die Liebe zur Macht ist nicht mit Güte, sondern mit den gegenteiligen Eigenschaften verknüpft, so mit Hochmut, Durchtriebenheit und Grausamkeit.«
Warum gibt es Leiden?
    Die beste Antwort auf die Frage lautet wohl, dass dem eben so ist: Die Leidensfähigkeit ist ein fester Bestandteil der Körperstruktur aller Lebensformen, auch wenn sich deren Leiden, geistig oder seelisch begriffen, voneinander unterscheiden. Leiden gehört zum Überlebenskampf. Für Tiere bedeutet Leiden, dass ihnen ein Unterschlupf fehlt, dass sie keine Nahrung finden, Angriffen von Fressfeinden ausgesetzt sind oder sich nicht fortpflanzen können. Dagegen können wir Menschen, und nur wir, über das Leiden nachdenken und schon dadurch leiden, dass wir es geistig vorwegnehmen. Nach Friedrich Nietzsche heißt leben leiden und überleben, im Leiden einen Sinn zu finden. Das Rätsel des Leidens besteht in der Frage, ob Leiden einen Sinn habe oder nicht. Jedes Leiden hat eine Ursache, und nicht nur eine unmittelbare wie bei Krankheit und Schmerz,unerwiderter Liebe, enttäuschtem Ehrgeiz, wirtschaftlicher Unsicherheit, Ängsten, Sorgen oder dem Wissen um die eigene Sterblichkeit. Es hat auch eine letztendliche Ursache insofern, als seine Existenz an sich »verursacht« wurde. Versuche zu erklären, warum es Leid überhaupt gibt, finden sich in der abendländischen Kulturtradition nur in deren reichhaltigem Schatz an Mythen, so im griechischen Mythos von der Büchse der Pandora. Eine biblische Erklärung liefert die Episode von Evas Ungehorsam im Garten Eden: Die Übertretung eines Verbots belastete die Beziehung der Menschheit zu Gott so sehr, dass das ursprünglich beabsichtigte Idyll der Schöpfung zerbarst. Das Leiden kam in die Welt. Es kann zwar nicht in diesem Leben überwunden werden, doch birgt eine Aussöhnung mit Gott die Hoffnung, dass es im nächsten endet.
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    »Wenn ich eine Formel hätte, um Ungemach zu umgehen, würde ich ihm nicht aus dem Weg gehen. Ungemach schafft eine Fähigkeit, mit ihm umzugehen. Ich empfange das Ungemach nicht mit offenen Armen. Das ist ebenso falsch, wie wenn man es als einen Feind behandelt. Aber ich sage: Begegne ihm wie einem Freund, damit du es gut kennenlernst, und rede lieber mit ihm.«
    Oliver Wendell Holmes Jr. (1841–1935)
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    Die wohl weitreichendste Antwort auf das Rätsel des Leidens hält der Buddhismus bereit. Die Frage steht im Zentrum seiner Glaubensinhalte und Praktiken. Die »Vier Edlen Wahrheiten« betreffen 1) die Tatsache des Leidens, 2) den Ursprung des Leidens, 3) die Auslöschung des Leidens und 4) den Weg dorthin. Dieser Weg, der sogenannte Edle Achtfache Pfad, besteht aus der rechten Erkenntnis, der rechten Sicht, dem rechten Reden, dem rechten Tun, dem rechten Lebenswandel, dem rechten Streben, der rechten Achtsamkeit und der rechten inneren Sammlung. Die Vier Edlen Wahrheiten beinhalten, dass Leben Leiden heißt, dass dieses Leiden Ursachen hat, dass diese überwunden werden können und dass man dazu den Achtfachen Pfad beschreiten muss.
    Unabhängig von der jeweiligen Theologie oder Philosophie muss man sein Leben leben. Viele leben es in einer Welt, in der an die Stelle des Prinzips Gott ein rationaler Humanismus getreten ist. Darin ist das Leiden schlicht und ergreifend Teil des Lebens. Die einzig konstruktive Antwort lautet, dass man sich dem Leiden stellen und es akzeptieren muss. »Aus dem Leiden gingen die stärksten Seelen

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