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Der fünfte Elefant

Der fünfte Elefant

Titel: Der fünfte Elefant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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zuschaufelte.
    »Möchtest du einige Worte sprechen?«, fragte er.
    »Du hast das Heulen in der vergangenen Nacht gehört«, erwiderte Angua und blickte weiter übers Wasser. »So verabschieden sich Wölfe von einem toten Gefährten. Worte sind nicht notwendig.«
    »Nun, vielleicht einige Sekunden des Schweigens…«
    Angua drehte sich abrupt um. »Karotte!
Erinnerst
du dich nicht an gestern? Fragst du dich nicht, was aus mir werden könnte? Machst du dir keine Sorgen um die Zukunft?«
    »Nein.«
    »Meine Güte, und warum nicht?«
    »Weil die Zukunft noch nicht geschehen ist. Sollen wir jetzt zurückgehen? Es wird bald dunkel?«
    »Und morgen?«
    »Ich würde mich freuen, wenn du nach Ankh-Morpork zurückkehrst.«
    »Warum? Dort gibt es nichts für mich.«
    Karotte klopfte den Boden über dem Grab fest. »Ist hier etwas für dich übrig geblieben?«, fragte er. »Äh, und ich…«
    Wag es nicht, diese Worte auszusprechen, dachte Angua. Nicht ausgerechnet jetzt.
    Und dann bemerkten sie beide die Wölfe. Sie schlichen an den Bäumen vorbei, dunkle Schatten im letzten, verblassenden Licht des Tages.
    »Sie sind auf der Jagd«, sagte Angua und griff nach Karottes Arm.
    »Oh, keine Sorge. Sie greifen Menschen nicht grundlos an.«
    »Karotte?«
    »Ja?« Die Wölfe näherten sich.
    »Ich bin kein Mensch!«
    »Aber gestern Abend…«
    »Das war etwas anderes. Sie erinnerten sich an Gavin.
Jetzt
bin ich nur ein Werwolf für sie…«
    Angua sah, wie sich Karotte den Wölfen zuwandte. Ihr Fell war gesträubt, und sie knurrten. Sie bewegten sich mit jener Art zögernder Zurückhaltung, die auf einen Hass hindeutete, der Furcht überwinden kann. Jeden Augenblick konnte sich in einem der Wölfe die Waagschale des Empfindens ganz zur einen Seite neigen, und dann war es geschehen.
    Jemand sprang – Karotte. Er packte den Anführer des Rudels an Hals und Schwanz, hielt das Tier fest, als es zappelte und nach ihm zu schnappen versuchte. Seine Bemühungen, dem Griff zu entkommen, ließen den Wolf im Kreis laufen, mit Karotte in der Mitte. Die anderen Wölfe wichen vor dem grauen Wirbel zurück.
    Als das Oberhaupt des Rudels stolperte, beugte sich Karotte vor und biss es in den Nacken. Der Wolf heulte.
    Karotte ließ ihn los, richtete sich auf und sah zu den anderen Wölfen. Sie mieden seinen Blick.
    »Hmmm?«, fragte er.
    Der Wolf auf dem Boden jaulte und erhob sich schwerfällig.
    »Hmmm?«
    Er zog den Schwanz zwischen die Hinterbeine und schlich zurück, doch eine unsichtbare Leine schien ihn mit Karotte zu verbinden.
    »Angua?«, fragte Karotte, ohne den Wolf aus den Augen zu lassen.
    »Ja?«
    »Sprichst du Wölfisch? Ich meine, in deiner gegenwärtigen Gestalt?«
    »Ein wenig. Woher wusstest du, worauf es ankommt?«
    »Oh, ich habe die Tiere beobachtet…«, sagte Karotte, als sei das Erklärung genug. »Bitte sag ihnen… Sag ihnen, dass ich ihnen nichts zu Leide tue, wenn sie jetzt verschwinden.«
    Angua bellte einige Worte. Innerhalb weniger Sekunden hatte sich die Situation völlig verändert. Jetzt bestimmte Karotte alles.
    »Und sag ihnen, dass ich zwar fortgehe, aber vielleicht zurückkehre. Wie heißt er?« Er deutete auf den sich duckenden Wolf.
    »Das ist Frisst Falsches Fleisch«, flüsterte Angua. »Er war… Nach Gavins Tod wurde er zum Anführer des Rudels.«
    »Sag ihm, dass ich nichts dagegen habe, wenn er das Rudel weiterhin anführt. Sag ihnen all das.«
    Die Wölfe beobachteten Angua aufmerksam. Sie wusste, was ihnen durch den Kopf ging. Karotte hatte den Anführer besiegt. Damit war
alles klar.
Für Ungewissheit gab es in ihrem Denken nicht viel Platz. Den Luxus des Zweifels konnten sich nur Geschöpfe leisten, die nicht ständig nur eine Mahlzeit vom Hungertod entfernt waren. Im mentalen Kosmos der Wölfe klaffte nach wie vor ein gavinförmiges Loch, und Karotte hatte es gerade gefüllt. Natürlich würde die Wirkung nicht lange anhalten, aber das war auch nicht nötig.
    Er findet immer einen Weg, dachte Angua. Er denkt nicht darüber nach. Er plant nicht. Er schiebt sich einfach an die richtige Stelle. Ich habe ihn gerettet, weil er sich nicht selbst retten konnte, und Gavin rettete ihn, weil… weil… weil er einen Grund dafür hatte. Ich bin fast sicher, dass Karotte nicht weiß, auf welche Weise er die Welt um sich wickelt. Ja, ich bin
fast
sicher. Er ist gut und freundlich und dazu geboren, ein König von der alten Art zu sein, die einst Eichenblätter trug und von einem Sitz unterm Baum aus regierte.

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