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Der fünfte Elefant

Der fünfte Elefant

Titel: Der fünfte Elefant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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als er in die Kutsche geklettert war. Auf dem Deckblatt stand »Informationsmaterial«. Der Mann schien ein Experte für Überwald zu sein, und Mumm fragte sich, wie viele andere Sekretäre im Palast schufteten, um ebenfalls zu
Experten
zu werden. Er setzte sich bedrückt und begann zu lesen.
    Die erste Seite zierte das Wappen des Furchtbaren Reiches, das einst über den größten Teil des Landes geherrscht hatte. Mumm wusste nur eins darüber: Einer der Machthaber hatte einmal einem Mann den Hut an den Kopf genagelt – nur so zum Spaß. Überwald schien ein großer, kalter und deprimierender Ort zu sein; vielleicht verspürten die Leute dort das dringende Bedürfnis, über
irgendetwas
zu lachen.
    Nach Mumms Geschmack war das Wappen zu üppig verschnörkelt. Dominiert wurde es von einer Fledermaus mit zwei Köpfen.
    Das erste Dokument hieß »Die fettreiche Schicht der Schmalzberg-Region (Das Land des Fünften Elefanten)«.
    Er kannte die Legende natürlich. Einst hatten nicht vier, sondern fünf Elefanten auf dem Rücken von Groß A’Tuin gestanden. Einer von ihnen verlor das Gleichgewicht oder bekam einen Stoß, woraufhin er in einem weiten Bogen durchs All flog, bevor der zornige, eine Milliarde Tonnen schwere Dickhäuter auf die Scheibenwelt stürzte. Der Aufprall war so heftig, dass die ganze Welt bebte und in die heute bekannten Kontinente zerbrach. Das emporgewirbelte und zurückfallende Felsgestein bedeckte den Kadaver und drückte ihn zusammen. Der Rest war nach Jahrtausenden unterirdischen Schmorens Fettgeschichte. Die Legende erwähnte auch, dass Gold, Eisen und die anderen Metalle gleichen Ursprungs waren. Immerhin konnte man von einem so großen Elefanten, der die Welt auf seinem Rücken trug, nicht erwarten, dass gewöhnliche Knochen in seinem Leib steckten.
    Mumm las Notizen, die ihm ein wenig glaubwürdiger erschienen und von einer unbekannten Katastrophe erzählten, die Millionen von Mammuts, Bisons und Riesenspitzmäusen umgebracht und ebenso unter Felsgestein begraben hatte wie den legendären Fünften Elefanten. Es gab Hinweise auf alte Trollsagen und Zwergenmythen. Vermutlich hatte auch Eis eine Rolle gespielt. Oder eine Flut. Was die Trolle betraf, die als erstes Leben auf der Welt galten: Vielleicht hatten sie tatsächlich gesehen, wie ein trompetender Elefant über den Himmel raste.
    Die verschiedenen Erklärungen änderten nichts am Resultat. Alle – alle bis auf Mumm – wussten, dass das beste Fett aus den Brunnen und Minen von Schmalzberg stammte. Es diente als Rohstoff für die weißesten und hellsten Kerzen, für die cremigste Seife, das heißeste und sauberste Lampenöl. Der gelbe Talg aus den Kesseln von Ankh-Morpork war nicht annähernd so gut.
    Mumm begriff nicht, warum das so wichtig sein sollte. Gold… An der Bedeutung von Gold bestand natürlich kein Zweifel. Menschen starben dafür. Und Eisen… Ankh-Morpork brauchte Eisen. Ebenso wie Bauholz und Ziegel. Auch Silber war recht nützlich…
    Er blätterte zu einer Seite mit der Überschrift »Natürliche Ressourcen«. Unter »Silber« las er: »Seit der Reichsnacht der Würmer, 1880 AM, wird in Überwald kein Silber mehr abgebaut und ist der Besitz dieses Metalls praktisch illegal.«
    Die Erklärung dafür fehlte, und Mumm nahm sich vor, Inigo danach zu fragen. Wo es Werwölfe gab, sollte man Silber eigentlich gut gebrauchen können. Und was sollten Würmer damit zu tun haben?
    Wie dem auch sei: Silber war nützlich, aber Fett… Damit verhielt es sich wie mit Keksen, Tee und Zucker. Es war einfach im Küchenschrank. Solchen Dingen fehlte es an
Stil
und
Romantik.
Irgendein Zeug in Tuben, weiter nichts.
    Auf der nächsten Seite klebte ein kleiner Zettel. Mumm las:
    »Der Fünfte Elefant erscheint in den Sprachen von Überwald als Metapher. Abhängig vom Kontext kann er bedeuten: ›ein Ding, das nicht existiert‹ (wie der Ausdruck ›klatschianischer Nebel‹ in unserer Umgangssprache), ›ein Ding, das etwas anderes ist, als es zu sein scheint‹ und ›ein Ding, das zwar unsichtbar ist, aber die Ereignisse kontrolliert‹ (wir würden in diesem Zusammenhang von ›grauer Eminenz‹ sprechen).«
    Ich nicht, dachte Mumm. Solche Ausdrücke verwende ich nie.
     
    »Obergefreiter Schuh«, sagte Obergefreiter Schuh, als sich die Tür der Fabrik öffnete. »Mord.«
    »Du wegen Herrn Keinesorge kommen?«, fragte der Troll, der die Tür geöffnet hatte. Warme Luft wehte auf die Straße; sie roch nach inkontinenten Katzen und

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