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Der fünfte Elefant

Der fünfte Elefant

Titel: Der fünfte Elefant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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primitiven Entwicklungsstadium, aber es genügt, um einen so einfachen Code zu knacken.«
    Leonard zog ein Tuch von einem im Großen und Ganzen rechteckigen Gegenstand. Er schien zum größten Teil aus Holzrädern und langen, dünnen Rundhölzern mit vielen eingeritzten Zahlen und Buchstaben zu bestehen. Manche Räder waren nicht rund, sondern oval oder herzförmig – der Patrizier bemerkte vielfältige Strukturen. Als Leonard eine Kurbel drehte, setzte sich das ganze Ding mit komplexer Geschmeidigkeit in Bewegung. Es wirkte irgendwie beunruhigend, auf einem rein mechanischen Niveau.
    »Und wie nennst du das Gerät?«
    »Oh, du weißt ja, dass ich mit Namen so meine Probleme habe, Euer Exzellenz. In Gedanken bezeichne ich den Apparat als ›Erfindung zur Neutralisation von Informationen durch die Generierung miasmatischer Alphabete‹, aber ich muss zugeben, dass einem das nicht sehr glatt über die Zunge kommt. Äh…«
    »Ja, Leonard.«
    »Ist es nicht… äh…
falsch,
die Nachrichten anderer Leute zu lesen?«
    Vetinari seufzte. Vor ihm saß ein Mann, der das Leben so hoch ansah, dass er beim Staubwischen darauf achtete, die Spinnen nicht zu stören. Und der gleiche Mann hatte einmal einen Apparat erfunden, der kleine Bleikugeln mit enorm hoher Geschwindigkeit abfeuerte – er hielt so etwas für nützlich, um gefährliche Tiere abzuwehren. Er entwickelte etwas, das ganze Berge zerstören konnte – und sah es für den Einsatz in der Bergbauindustrie vor. Während der
Teepause
entwarf dieser Mann direkt neben der exquisiten Darstellung eines menschlichen Lächelns eine unvorstellbare Massenvernichtungswaffe, komplett mit nummerierter Liste der einzelnen Bestandteile. Und wenn man ihn darauf ansprach, so erwiderte er: Die Existenz einer solchen Waffe verhindert weitere Kriege,
denn niemand wird es wagen, davon Gebrauch zu machen.
    Leonards Miene erhellte sich, als ihm etwas einfiel. »Andererseits: Je mehr wir voneinander wissen, umso besser können wir uns verstehen. Nun, du hast mich gebeten, einen neuen Code für dich zu entwickeln. Es tut mir Leid, Euer Exzellenz, aber offenbar habe ich deine Erfordernisse falsch verstanden. Was war mit dem ersten Code nicht in Ordnung?«
    Vetinari seufzte. »Ich fürchte, er ließ sich nicht entschlüsseln, Leonard.«
    »Aber…«
    »Es ist schwer zu erklären«, sagte der Patrizier. Die für ihn klaren Wasser der Politik waren für Leonard nur Schlamm. »Der neue Code – ist er nur teuflisch schwer zu knacken?«
    »Du hast ausdrücklich einen
dämonischen
verlangt, Herr«, sagte Leonard. Es klang ein wenig besorgt.
    »Oh, ja.«
    »Offenbar gibt es keinen allgemeinen Standard für Dämonen, Herr, aber ich habe in den mir zugänglichen okkulten Texten recherchiert und glaube, einen Code entwickelt zu haben, der von mehr als sechsundneunzig Prozent aller Dämonen als schwierig eingestuft würde.«
    »Gut.«
    »Vielleicht grenzt er hier und dort ans Diabolische…«
    »Kein Problem. Ich werde ihn ab sofort verwenden.«
    Leonard schien noch etwas auf dem Herzen zu haben. »Es wäre ganz einfach, den Code erzdämonisch schwer zu gestalten…«
    »Mir genügt er in der gegenwärtigen Form, Leonard«, sagte Vetinari.
    »Euer Exzellenz…« Leonard von Quirm jammerte fast. »Ich kann nicht ausschließen, dass ausreichend schlaue Personen es schaffen, deine Nachrichten zu lesen!«
    »Gut.«
    »Aber Euer Exzellenz… Dann wissen fremde Leute, was du denkst!«
    Vetinari klopfte ihm auf die Schulter. »Nein, Leonard. Die fremden Leute kennen nur den Inhalt der Nachrichten.«
    »Das verstehe ich nicht…«
    »Mach dir nichts draus.
Ich
könnte keine Maschine für explodierenden Kaffee konstruieren. Wie sähe die Welt aus, wenn wir alle gleich wären?«
    Leonards Stirn umwölkte sich. »Ich bin mir nicht sicher«, sagte er. »Aber wenn du möchtest, dass ich mich mit diesem Problem befasse, könnte ich einen Apparat bauen, der…«
    »Es war nur eine Redewendung, Leonard.«
    Vetinari schüttelte reumütig den Kopf. Nicht zum ersten Mal gewann er folgenden Eindruck: Leonards Intellekt war in ein bisher unbekanntes mentales Hochland vorgestoßen, doch dort entdeckte er große und sehr spezielle Höhlen der Dummheit. Welchen Sinn hatte es, Nachrichten so zu codieren, dass sie von sehr gewieften Gegnern nicht entschlüsselt werden konnten? Dann erfuhr man gar nicht, was sie dachten, dass man selbst über sie dachte…
    »Gestern Morgen traf eine recht ungewöhnliche Nachricht aus Überwald

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