Der Fünfte Elefant
kleinen Tel ern Platz und
sahen vor allem interessant aus.
Aber sie kochte für Sam, denn die Ehefrau in ihr hielt das für
angebracht. Außerdem war er als Esser ihren kulinarischen Fähig-
keiten bestens angepasst. Er mochte verbrannte Würstchen und Spiegeleier, die Boing machten, wenn man die Gabel hineinstach.
Kaviar hätte er vermutlich nur gebraten verspeist. Ein solcher
Mann ließ sich leicht ernähren, solange man genug Schmalz im
Haus hatte.
Doch diese Speisen schmeckten so, als seien sie von jemandem zubereitet worden, der noch nie zuvor gekocht hatte. Bei der Be-sichtigungstour hatte Sybil einen kurzen Blick in die Küche werfen
können, und ihrer Meinung nach erwartete man einen solchen
Raum in einem kleinen Haus. Die Speisekammern für das Wildbret hingegen boten geradezu verblüffend viel Platz. Nie zuvor hatte
Sybil so viele tote Tiere gesehen.
Sie zweifelte kaum daran, dass Rehfleisch nicht gekocht serviert
werden sol te, zusammen mit knusprigen Kartoffeln. Wenn es sich
überhaupt um Kartoffeln handelte. Selbst Sam, der die schwarzen
Brocken mochte, die manchmal im Kartoffelbrei auftauchten, hät-
te sich zu einem Kommentar hinreißen lassen. Doch Sybil wusste,
wie man sich benahm. Wenn man nichts Freundliches über das
Essen sagen konnte, suchte man sich einen anderen Anlass für
freundliche Bemerkungen.
»Dies sind… sehr interessante Teller«, sagte sie pflichtbewusst.
»Äh, bist du sicher, dass es keine weiteren Neuigkeiten gibt?« Sie versuchte, den Blick nicht auf den Baron zu richten. Er schenkte
Sybil und seiner Frau keine Beachtung, stocherte auf seinem Teller
herum, als könnte er sich nicht mehr daran erinnern, wie man mit
Messer und Gabel umging.
»Wolfgang und seine Freunde suchen noch immer«, sagte Serafi-
ne. »Aber es herrschte schreckliches Wetter für einen Mann auf
der Flucht.«
»Er ist nicht auf der Flucht«, schnappte Sybil. »Er hat kein Verbrechen begangen!«
»Oh, natürlich nicht«, erwiderte die Baronin in beschwichtigen-
dem Tonfall. »Es gibt nur Indizienbeweise. Völlig klar. Nun, ich
schlage vor, dass du mit deinem, äh, Gefolge nach Ankh-Morpork
zurückkehrst, sobald die Pässe frei sind und bevor es hier richtig
Winter wird. Wir kennen dieses Land, meine Liebe. Wenn dein
Mann noch lebt, finden wir bestimmt eine Möglichkeit, ihm zu
helfen.«
»Ich lasse auf keinen Fall zu, dass man Schande über ihn bringt!
Du hast gesehen, wie er den König gerettet hat!«
»Oh, das hat er bestimmt. Ich habe zu diesem Zeitpunkt mit
meinem Mann gesprochen, aber es käme mir überhaupt nicht in den Sinn, an deinen Worten zu zweifeln. Stimmt es, dass er die Männer
am Wilinus-Pass getötet hat?«
»Was? Es waren Räuber!«
Am anderen Ende des Tisches griff der Baron nach einem
Fleischbrocken und versuchte, ihn mit den Zähnen zu zerreißen.
»Oh, natürlich. Ja. Natürlich.«
Sybil zwickte sich in den Nasenrücken. Der größte Teil von ihr
hätte Sam nicht einmal dann des Mordes – eines echten Mordes
nicht – für schuldig gehalten, wenn drei Götter mit Botschaften am Himmel gegen ihn ausgesagt hätten. Doch das eine oder andere
kam ihr zu Ohren, auf Umwegen. Sam regte sich über gewisse
Dinge auf, und manchmal entlud sich sein Zorn ganz plötzlich.
Zum Beispiel die Sache mit dem kleinen Mädchen und den Män-
nern bei den Dol y-Schwestern. Als Sam die Unterkunft der Män-
ner durchsuchte, stel te er fest, dass sie dem Mädchen einen Schuh
gestohlen hatten, und später meinte Detritus, wenn er nicht gewe-
sen wäre, hätte nur Sam den Raum lebend verlassen.
Sybil schüttelte den Kopf. »Ich würde jetzt gern ein Bad neh-
men«, sagte sie. Es klapperte am anderen Ende des Tisches.
»Du solltest besser im Ankleideraum essen, Schatz«, sagte die Ba-
ronin, ohne ihren Mann anzusehen. Sie bedachte Lady Sybil mit
einem kurzen, spröden Lächeln. »Wir haben kein… kein… nichts
Derartiges im Schloss.« Ihr fiel etwas ein. »Wir benutzen die hei-
ßen Quellen. Das ist viel hygienischer.«
»Draußen im Wald?«
»Oh, es ist nicht weit. Und ein Lauf im Schnee tut dem Körper
gut.«
»Ich glaube, ich lege mich jetzt ein wenig hin«, sagte Lady Sybil
fest. »Herzlichen Dank.«
Sie ging zu dem muffig riechenden Schlafzimmer und war auf
damenhafte Weise wütend.
Es gelang ihr einfach nicht, Serafine zu mögen, und das war ent-
setzlich, denn Lady Sybil mochte sogar Nobby Nobbs, und dazu
brauchte man eine sehr gute
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